Werden Supermärkte nachlässig bei Desinfektionsstationen?

aus Coronavirus-Pandemie

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Ein Desinfektionsmittelspender in einem Supermarkt. Symbolfoto: dpa

Discounter und Vollsortimenter widersprechen Hinweisen, dass Desinfektionsmittelspender nicht mehr richtig befüllt werden. Bringen die Stationen an und in Märkten überhaupt etwas?

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WIESBADEN/MAINZ. Desinfizieren Sie sich die Hände, wenn sie in den Supermarkt gehen und/oder aus dem Supermarkt kommen? Angesichts der nach wie vor hohen Corona-Inzidenzen nutzen viele diesen Service der Lebensmitteleinzelhändler nach wie vor. Vielleicht ist Ihnen dann auch aufgefallen, dass beim Druck auf den Hebel aus den Desinfektionsmittelspendern an manchen Stationen nichts mehr rauskommt. Jedenfalls haben wir Hinweise von Verbrauchern bekommen, dass in Märkten zunehmend Desinfektionsstationen entweder nicht mehr oder nur noch sporadisch befüllt werden – oder sogar komplett abgebaut worden sind.

Entsprechendes hat auch Waltraud Fesser, Fachbereichsleiterin Lebensmittel und Ernährung bei Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, registriert. „Das ist ein guter Service und es wäre schade, wenn das zurückgefahren würde“, sagt sie. Was ist da los? Wir haben die großen Supermarktketten und Discounter gefragt.

Was sagen Aldi, dm, Edeka und Co.?

Aldi Süd, Globus, Kaufland und dm weisen auf Anfrage entsprechende Hinweise für ihre Märkte strikt zurück. „Wir bieten sowohl unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als auch unseren Kundinnen und Kunden weiterhin in allen unseren dm-Märkten die Möglichkeit zur Desinfektion an“, hebt der dm-Geschäftsführer und Personalverantwortliche Christian Harms vor. Vergleichbar äußerte sich Aldi-Süd: „Wir möchten unseren Kundinnen und Kunden jederzeit die Möglichkeit geben, sich die Hände oder den Einkaufswagen zu desinfizieren.“ Bei Aldi Süd würden weiterhin Desinfektionsstationen an den Einkaufswagenboxen sowie im Eingangsbereich zur Verfügung gestellt und täglich befüllt und gereinigt. Die Zahl der Desinfektionsstationen sei nicht reduziert worden. Bei Kaufland wiederum stünden den Kunden „nach wie vor Desinfektionsspender zur Verfügung. Diese werden vor Ladenöffnung gesäubert, Füllstand und Verfügbarkeit der Papierhandtücher mehrmals täglich überprüft.“

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Horst Lang, Leitung Qualitätssicherung Globus Markthallen, hebt hervor: „Nach wie vor stellen wir in all unseren Markthallen Desinfektionsspender für unsere Kunden bereit und prüfen selbstverständlich regelmäßig, dass diese ausreichend befüllt sind. Mit Blick auf den sich nähernden Herbst und mögliche neue Infektionswellen planen wir derzeit nicht, unser Angebot an Spendern zu reduzieren.“ Edeka Südwest verweist in der Frage auf die besondere Struktur des Unternehmensverbundes: „Da die Mehrzahl unserer Märkte von selbstständigen Kaufleuten betrieben wird, können wir keine Informationen zu einzelnen Unternehmen unseres genossenschaftlichen Verbunds geben und keine allgemeingültige Aussage machen.“ Grundsätzlich jedoch würden Flächen- und Handdesinfektionsmittel bereitgestellt. Rewe, Lidl, Penny und Netto wollten sich zu unserer Anfrage nicht äußern.

Besteht eine Pflicht für Desinfektionsstationen?

Eine Pflicht zum Aufstellen von Desinfektionsstationen besteht derzeit nicht. Einzelhändler könnten nur unter bestimmten Voraussetzungen zur Bereitstellung von Desinfektionsmitteln im Rahmen von Hygienekonzepten verpflichtet werden, betont der Handelsverband HDE. So müsse „in einer konkreten Gebietskörperschaft die konkrete Gefahr einer sich ausbreitenden Infektionslage bestehen“ und diese Gefahr vom Parlament des betreffenden Bundeslandes festgestellt werden.

Sodann müsse „die Verpflichtung zur Erstellung und Anwendung von Hygienekonzepten durch Verordnung angeordnet worden sein“. Desinfektionsmittelspender sind also ein freiwilliger Service der Unternehmen. Doch braucht man den überhaupt beziehungsweise bringt er etwas?

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Wie beurteilt ein führender Hygieniker die Lage?

Von Prof. Klaus-Dieter Zastrow, Deutschlands führendem Hygieniker, kommt ein klares Ja. „Über Haltegriffe der öffentlichen Verkehrsmittel oder den Türgriff im Geschäft oder Supermarkt ist die Übertragung aller Viren und Bakterien möglich und damit auch von Corona-Viren. Mehrfach innerhalb einer Stunde haben wir die Finger am oder im Mund. Deshalb ist die Desinfektion, mit begrenzt viruziden Desinfektionsmitteln für mindestens 30 Sekunden, unverändert die wirkungsvollste Schutzmaßnahme vor einer Corona-Infektion und in den Hygienekonzepten unverzichtbar.“ Viruzide sind chemische Substanzen, die Viren inaktivieren.

Händewaschen dagegen sei nicht nur wirkungslos, sondern verteile noch die Viren im und um das Waschbecken. „Damit kann sich der nächste Nutzer sehr leicht anstecken“, so Zastrow. Die Weltgesundheitsorganisation WHO behaupte zwar das Gegenteil, „es ist aber völlig falsch und zudem nicht praktikabel, denn nicht an jedem Geschäft findet sich am Eingang ein Waschbecken“. Vor und in Märkten und Läden sollten daher „an zentralen Schnittstellen Händedesinfektionsmittelspender aufgestellt werden“. Sollte das Aufstellen von Desinfektionsmittelspendern zur Pflicht gemacht werden, „müssen die Gesundheitsämter konsequent überwachen, ob die Spender vorhanden und auch mit den richtigen Mitteln befüllt sind“. Wenn dies nicht gewährleistet sei, „müssen empfindliche Ordnungsmaßnahmen verhängt werden“, so der Experte.