Künftig nur noch ein Gewerbepark oder ein Fracht-Airport mit neuem Großunternehmen wie etwa Amazon? Die Einschätzungen gehen nach der Insolvenz weit auseinander.
HAHN. Frachtgeschäft weiter im Aufwind oder Lichter der Landebahn aus? Nach seinem Sinkflug zum Insolvenzgericht sieht der Hunsrück-Flughafen Hahn höchst unterschiedlichen Erwartungen entgegen. Zugleich dauern bei ihm staatsanwaltliche Ermittlungen an. Der Anwalt des Airport-Betriebsrats, Georg Wohlleben, sagt am Mittwoch: "Der Hahn ist ein Goldstück." Denn seine seltene Nachtfluggenehmigung könnte hochinteressant etwa für den Einstieg großer Logistikfirmen sein, vielleicht sogar für den Online-Handelsriesen Amazon. "Mit seinen Rahmenbedingungen halte ich den Hahn für sehr überlebensfähig", ergänzt der Bruder des Bestseller-Autors und Eifel-Försters Peter Wohlleben.
Vom Militär- zum Zivilflughafen
Der Sprecher der Bürgerinitiative gegen den Nachtflughafen Hahn, Olaf Simon, betont dagegen: "Der Markt lässt sich nicht betrügen." Der Hahn, der heute zu 82,5 Prozent dem ebenfalls kriselnden chinesischen Großkonzern HNA und zu 17,5 Prozent dem Land Hessen gehört, lasse sich nicht in die schwarzen Zahlen fliegen. "Man hätte von Anfang an die Finger von ihm lassen sollen." Simon spielt auf die Umwandlung des einstigen US-Militärflughafens in einen zivilen Airport vor rund drei Jahrzehnten an. Mit hochfliegenden Plänen - doch laut Simon rechnet sich der Hahn im tiefen Hunsrück fernab von Autobahnen und Ballungsgebieten nicht, auch nicht in Zeiten ohne Pandemie.
Der einstige US-Militär-Airport Zweibrücken weiter im Süden, ebenfalls in Rheinland-Pfalz und nur rund 20 Kilometer vom saarländischen Flughafen Saarbrücken entfernt, ist als Zivilflughafen schon 2014 pleitegegangen. Hier findet sich heute ein größerer Gewerbepark mit einer Landebahn vorwiegend für kleinere Maschinen.
"Die nächsten drei Monate sind kriegsentscheidend"
Insolvenzverwalter ist in Zweibrücken 2014 der Frankfurter Anwalt Jan Markus Plathner gewesen. Nun fungiert der Sanierungsexperte auch am Hahn als vorläufiger Insolvenzverwalter. Der Flugbetrieb laufe hier "in vollem Umfang" weiter, betont er. Der Anwalt des Hahn-Betriebsrats, Georg Wohlleben, sagt: "Die nächsten drei Monate sind kriegsentscheidend." Erst danach dürfte wohl ein Insolvenzverfahren eröffnet werden. "Hundertprozentig" seien jetzt schon Verhandlungen über die Zukunft hinter den Kulissen angelaufen, ergänzt Wohlleben. Die geschockten Beschäftigten dürften in den kommenden drei Monaten Insolvenzgeld bekommen. Rund 250 sind es bei der Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH, hinzu kommen Mitarbeiter von vier verbundenen Gesellschaften, die ebenfalls Insolvenz beantragt haben.
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Unterdessen ziehen sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Koblenz am Hahn hin. Nach einer dortigen Razzia im Juli 2020 bei sechs ungenannten Firmen hat sie mit der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes Trier drei "Verantwortliche" in den Fokus genommen. Bei einem dieser Unternehmen handelt es sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur um die Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH selbst.
Ermittlungen werden erst im kommenden Jahr fertig
In diesem Jahr würden die Ermittlungen nicht mehr fertig - zu umfangreich seien die sichergestellten und auszuwertenden Dokumente, sagt Oberstaatsanwältin Martina Müller-Ehlen. Daher hätten auch die Anwälte der Beschuldigten noch keine vollständige Akteneinsicht bekommen. Die Insolvenzanträge machten die Ermittlungen nicht einfacher. Die Juristin versichert: "Wir werden aber keinesfalls Bemühungen behindern, den Betrieb am Hahn weiterzuführen."
Der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Kirchberg, Harald Rosenbaum (CDU), erinnert an das zuletzt gut florierende Frachtgeschäft. Er hoffe auf neue Chancen in einem Insolvenzverfahren. Es gebe schon Interessenten für Gewerbegebiete am Hahn. Flächen mit mehr als 100 Hektar lägen hier brach, immer noch mit Militärhangars und zu wenigen Verkehrswegen, ungenutzt seit Jahrzehnten und gut mit Bundesstraßen angebunden. Auch Rosenbaum erwähnt die begehrte Nachtfluggenehmigung: "Das ist das wichtigste Kapital." Eine Fortführung des Flugbetriebs am Hahn sei unverzichtbar, schon wegen dort ansässiger Unternehmen wie der Flugzeugwerft Haitec: "Die würde sonst ihre Existenzgrundlage verlieren." Der Bürgermeister sähe nach eigenen Worten am liebsten hiesige nachhaltig denkende Investoren: "Bei den Chinesen habe ich jahrelang keinen Ansprechpartner gehabt."
Von der Gewinnzone weit entfernt
Olaf Simon von der Bürgerinitiative gegen den Nachtflughafen Hahn erinnert dagegen daran, dass die jüngsten Hahn-Geschäftszahlen im Bundesanzeiger bereits aus dem Jahr 2018 stammen: Schon das sei kein gutes Zeichen gewesen. Ein früheres Gutachten habe ein jährliches Frachtgeschäft von 400.000 Tonnen und 2,5 Millionen Passagiere pro Jahr als Voraussetzung für den Eintritt in die Gewinnzone genannt: Davon ist der Airport weit entfernt. Der Hahn sei wahrscheinlich bilanziell nicht überschuldet, habe aber wohl nicht genug flüssige Mittel mehr, um Löhne, Sozialabgaben und Steuern zu bedienen, vermutet der Sprecher der Bürgerinitiative.
Von Jens Albes