S-Bahn-Unfall: Gaffer-Videos quälen Familie des Opfers
Nach dem Tod von Mustafa Alptug S. in der Frankfurter S-Bahn-Station Ostendstraße kursieren im Internet Videos vom tragischen Unfall. „So etwas muss doch unterbunden werden“, sagt die Tante des Hanauers.
Von Rainer H. Schlender
Leitung Reporter Rhein-Main/Südhessen
Die S-Bahn-Station Ostendstraße in Frankfurt.
(Foto: dpa)
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FRANKFURT - Er wollte Leben retten und fand dabei den Tod: Das Schicksal des jungen Mustafa Alptug S. aus Hanau hat seine Familie in Verzweiflung gestürzt und im Rhein-Main-Gebiet eine Welle der Anteilnahme ausgelöst. Der Siebzehnjährige war – wie berichtet – im Frankfurter Bahnhof Ostendstraße von einer S-Bahn überrollt worden. Offensichtlich wollte er einem sturzbetrunkenen Obdachlosen aus Kasachstan helfen, der im Gleisbett lag. Ein anderer Obdachloser sprang ebenfalls auf die Gleise und packte mit an; er wurde von der einfahrenden Bahn leicht verletzt. Der hilflose Kasache erlitt schwere Verletzungen. Der selbstlose Jugendliche starb.
Als wäre der Schmerz nicht groß genug, wird die Familie des jugendlichen Opfers nun auch noch von Videoaufnahmen gequält, die Schaulustige auf dem Bahnsteig gemacht hatten. Das Gaffer-Video zeigt nach Angaben der Bundespolizei den leblosen jungen Mann, nachdem er vom Zug überrollt wurde. „Der Link zu dem Video ist uns bekannt“, sagte ein Sprecher der Behörde in Koblenz.
Wer Videos verbreitet, dem drohen zwei Jahre Haft
Den Angaben zufolge ist das Video auf einer Internetplattform zu sehen, die über einen Server in Australien betrieben wird und sich an Unglücksfällen und menschlichem Leid weidet. Auch in der Schule von Mustafa Alptug S. kursieren Fotos und Videos vom Unglücksort. „So etwas muss doch unterbunden werden“, sagte eine Tante des Opfers. Die Familie hat bei der Polizei in Hanau Strafanzeige gestellt.
Nach Einschätzung der Bundespolizei verletzen Herstellung und Verbreitung solcher Videoaufnahmen den „höchstpersönlichen Lebensbereich“. Nach Paragraf 201a des Strafgesetzbuches kann ein Verstoß mit zwei Jahren Haft geahndet werden.
Posthume Ehrung für 17-Jährigen gefordert
Die Stadt Hanau hat unterdessen ein Kondolenzbuch ausgelegt. Es habe reger Andrang geherrscht, sagte ein Sprecher der Stadt. Er kündigte außerdem an, dass man das Andenken des jungen Mannes ehren werde – in welcher Form, sei noch offen.
Auch die Kommunale Ausländer- und Ausländerinnenvertretung (KAV) Frankfurt betonte, es sei ihr ein Bedürfnis, die Zivilcourage des jungen Mannes mit türkischen Wurzeln zu ehren: „Eine Gedenktafel an der S-Bahn-Haltestelle wäre der Anfang“. Außerdem wolle die KAV das Bestreben des Ausländerbeirates Hanau, die Zivilcourage des Verunglückten postum zu ehren, unterstützen. Dies könne etwa mit der Hessischen Medaille für Zivilcourage geschehen.
Unter keinen Umständen ins Gleisbett
Für Unverständnis hat bei der Familie des Opfers auch der Umstand gesorgt, dass es im S-Bahnhof Ostendstraße keine Notrufsäulen gibt. Nach Auskunft der Bahn waren sie bei der Sanierung der Station vor gut zwei Jahren abgebaut worden. Die Bahn empfiehlt, im Notfall das Handy zu nehmen und die Nummer 112 zu wählen. „Alle Rettungsstellen in Deutschland haben direkten Kontakt zur Notfallleitstelle der DB, die sofort alle betreffenden Züge stoppt“, sagte ein Sprecher.
Vor allem weist er darauf hin, dass Passanten niemals, unter keinen Umständen, auf die Gleise springen dürfen. Das Betreten von Bahnanlagen sei gefährlich und daher ausdrücklich verboten. „Sich nie im Gleisbett aufhalten“, sei das oberste Sicherheitsgebot.