Schwer belastet wurde am Donnerstag Ali Bashar von seinem Freund Mansoor. Er gilt der Anklage als wichtigster Zeuge im Mordprozess um den Tod der Mainzer Schülerin Susanna.
WIESBADEN. Wäre es eine Quelle draußen in der Natur, dann würde man sagen – sie sprudelt. Mansoor, der afghanische Zeuge, sprudelt vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts am Donnerstagnachmittag derart, dass der Dolmetscher beschäftigungslos wird. Er sprudelt auf Deutsch und belastet den Angeklagten Ali Bashar schwer. Aus Sicht der Anklage ist der junge Afghane der wichtigste Zeuge im Mordprozess. Ihm soll Ali schon am 23. Mai 2018 anvertraut haben, dass er in der Nacht zuvor in Erbenheim die Mainzer Schülerin Susanna vergewaltigt und getötet habe. „Ich habe die Schlampe umgebracht“, soll der irakische Asylbewerber gesagt haben. Und dann habe er Details folgen lassen.
Der Mann, den Mansoor belastet, sitzt derweil zwei Etagen höher im Videovernehmungszimmer. Denn im Beisein des Angeklagten drohte am Vormittag schon nach einer halben Stunde die Quelle Mansoor zu versiegen. Mit der Wahrheit nimmt es der junge Afghane da nicht mehr so genau. „Er hat Angst vor dem Angeklagten“, erklärt sein Rechtsbeistand Michael Harschneck. Konkret beschreiben kann die Angst freilich keiner. Das Gericht entscheidet dann „im Interesse der Sachaufklärung“, dass Ali für die Dauer der Zeugenvernehmung die Verhandlung außerhalb des Saals zu verfolgen habe. Mansoor wirke „offensichtlich verängstigt“.
Mansoor beschreibt Motiv der Tat
Von der direkten Konfrontation befreit, sprudelt er dann. Ali habe Susanna einige Zeit zuvor schon einmal sexuell bedrängt und draußen die „ganze Nacht befummelt“, später sei er auch in der Flüchtlingsunterkunft im Kreuzberger Ring zudringlich geworden – all das habe Susanna ihm erzählt. Ali wiederum soll nicht nur von der Vergewaltigung und dem Mord erzählt haben, er soll auch geschildert haben, wie er am Abend des 22. Mai andere Jugendliche manipuliert habe – mit einem Anruf: „Die Schlampe ist weg, sie ist nach Hause gegangen.“ Tatsächlich sei er aber an Susannas Seite gewesen. Das spricht für einen Plan.
Mansoor steuert auch ein Motiv bei: Der damals 21-jährige Iraker habe die 14-Jährige als Sexobjekt betrachtet, das er haben wollte. Und er liefert auch ein Motiv, warum Susanna in Ali Bashars Denkwelt habe sterben müssen: Wenn er sie nach der Vergewaltigung hätte gehen lassen, dann hätte sie zur Polizei gehen können. Mit der Konsequenz: „Dann ist Ali am Arsch“. So soll es der Iraker ihm gegenüber formuliert haben. Durch die Aussage zieht sich eine Zweiteilung: Hier Ali, der Gefährliche, vor dem sich alle hätten fürchten müssen, und da Mansoor, nach eigener Zuschreibung ein Guter, dem das Verbrechen an Susanna zu schaffen gemacht habe. Der Zeuge ist sichtlich bemüht, viel Distanz zwischen sich und Ali zu bringen.
Mansoor gibt Susanna selbst die Schuld
Das hat sich alles schon mal ganz anders angehört: „Bester Bruder hab dich so vermisst ohne dich ist Leben einfach scheiße für mich“, schreibt er unter ein Foto, das ihn und Ali zeigt, ins Internet gestellt am 21. Juni 2018. Nach dem Verbrechen. Das hört sich nicht gerade nach Distanz an. Eher nach Freund. Und gar als Komplizen sollen sie beide eine Elfjährige vergewaltigt haben.
Deswegen müssen sich Ali und der auf „mindestens 14 Jahre und neun Monate“ geschätzte Mansoor seit Mitte März vor der Jugendschutzkammer verantworten. Mansoor soll das Kind dann noch einmal mit dem jüngsten Bruder von Ali vergewaltigt haben. Es ist so eine Sache mit den Guten und den Bösen. Da rettet sich jeder, wie er kann. Aus Angst vor Ali will der Mitwisser des Verbrechens zwölf Tage lang den Gang zur Polizei gescheut haben. Stattdessen macht er andere Jugendliche zu Mitwissern. War das nicht gefährlich für ihn? Und wie erklärt sich, dass Mansoor nach dem Verbrechen einem Mädchen schreibt: Susanna sei selber Schuld, weil sie mit Ali gegangen sei.
Fortsetzung 2. April, 9.30 Uhr