Mitglieder einer Chatgruppe wollten mit Anschlägen und Entführungen das demokratische System stürzen. Bei Razzien in der Querdenker- und Reichsbürgerszene wurden Waffen gefunden.
MAINZ. Die Polizei hat bundesweit am Mittwoch Mitglieder der ein rechtsextremen Chatgruppe „Vereinte Patrioten“ festgenommen. Den Verdächtigen wird vorgeworfen, unter anderem geplant zu haben, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu entführen. Zudem haben sie offenbar die konkrete Absicht verfolgt, durch gezielte Sprengstoffanschläge auf unbewachte Umspannwerke das Stromnetz in Deutschland größtenteils lahmzulegen. Ziel sei es gewesen, das Land in bürgerkriegsähnliche Zustände zu führen, um anschließend die Demokratie zu stürzen. In einer gemeinsamen Pressemitteilung haben die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz und das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz (LKA) nun weitere Details bekanntgegeben. Demnach gab es am Mittwoch Durchsuchungen im gesamten Bundesgebiet. Vier Personen wurden festgenommen.
Wie das Landeskriminalamt (LKA) Rheinland-Pfalz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz mitteilt, kommt einer der beiden Hauptverdächtigen aus Rheinland-Pfalz. Bei dem Mann handelt es sich um einen 55-Jährigen aus der pfälzischen Stadt Neustadt an der Weinstraße. Neben ihm wurden drei weitere Verdächtige festgenommen.
Durch umfangreiche Ermittlungen konnten einer gemeinsamen Pressemitteilung von LKA und Staatsanwaltschaft zufolge bundesweit zahlreiche Personen identifiziert werden, die sich der Gruppe zurechnen lassen und die die Pläne unterstützen. Laut LKA-Präsident Johannes Kunz soll es sich bei der Gruppe “Vereinte Patrioten“ um ein Gemisch aus Reichsbürgerszene, Verschwörungstheoretiker, aber auch der Coronamaßnahmen-kritischen Querdenker-Szene handeln. Kunz gibt an, dass die Entführungspläne von Gesundheitsminister Lauterbach schon sehr konkret gewesen sein sollen. Demnach haben die Anhänger offenbar bereits Waffen für ihr Vorhaben gekauft. „Einen konkreten Ort und eine konkrete Zeit haben sie allerdings noch nicht gehabt“, erklärt Kunz. Dennoch habe die Polizei im täglichen Austausch mit dem Bundeskriminalamt gestanden, um einen möglichen Anschlag auf den Bundesminister zu verhindern.
Koordinierte bundesweit durchgeführte Maßnahmen führten am Mittwoch dann zur Sicherstellung von Waffen (insbesondere 14 Lang- und sieben Kurzwaffen sowie eine Kriegswaffe, namentlich eine Kalaschnikow), Munition im mittleren dreistelligen Bereich, Bargeld in Höhe von 8.900 Euro, zahlreichen Goldbarren und Silbermünzen, Devisen im Wert von über 10.000 Euro sowie zur Festnahme von vier Beschuldigten. Ab dem Mittag durchsuchten Polizeikräfte in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Brandenburg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen 20 Objekte. Insgesamt waren drei Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie rund 270 Beamtinnen und Beamte im Einsatz, darunter auch Spezialeinheiten.
Nach Informationen des ARD-Politikmagazins Report Mainz hatten sich die Pläne der zwölf Beschuldigten in den vergangenen Tagen konkretisiert. So wollte die Gruppe Waffen, Minen und Schutzausrüstung kaufen. Eine erste Übergabe von zwei Kriegswaffen des Typs Kalaschnikow und fünf Pistolen sollte in dieser Woche im rheinland-pfälzischen Neustadt an der Weinstraße über die Bühne gehen. Doch das Angebot war eine Falle der Ermittler. Der Waffenkäufer wurde festgenommen.
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Die Beschuldigten sind deutsche Staatsangehörige im Alter von 55, 54, 50, 42, und 41 Jahren. Ihnen werden die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, und Verstöße gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz vorgeworfen. Die Maßnahmen dauerten bis in den späten Nachmittag an. Die Einsatzkräfte stellten zudem Mobiltelefone, diverse Datenträger, Notebooks sowie zahlreiche schriftliche Unterlagen betreffend die Umsturzplanungen, gefälschte Impfpässe sowie gefälschte Testzertifikate sicher.
Gegen die vier festgenommen Beschuldigten sind Haftbefehle beantragt worden. Sie sollen heute dem zuständigen Ermittlungsrichter vorgeführt werden. Die Ermittlungen gegen weitere Personen dauern an - insgesamt gibt es derzeit zwölf Verdächtige.
Lauterbach gibt sich unbeirrt
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will sich indes von den mutmaßlichen Entführungsplänen nicht einschüchtern lassen. "Manchen Covid-Leugnern geht es nicht um den Kampf gegen Impfungen oder Corona-Auflagen. Sie kämpfen gegen unsere demokratische Grundordnung", sagte der SPD-Politiker der "Bild am Sonntag". "Damit werden sie aber keinen Erfolg haben. Ich lasse mich dadurch nicht beirren, sondern setze mich weiter für die gesamte Bevölkerung ein. Dieses Beispiel zeigt die Zerrissenheit unserer Gesellschaft. Diese Spaltung zu überwinden und Vertrauen zurückzugewinnen, bleibt Ziel meiner Politik."
Lauterbach hatte wiederholt von Drohungen gegen ihn berichtet. Anfang März, nachdem der österreichische Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) unter anderem wegen ständiger Anfeindungen zurückgetreten war, schrieb der SPD-Politiker bei Twitter: "Es ist eine Schande, dass er durch Drohungen aus dem Amt gedrängt wurde. Auch ich werde rund um die Uhr bewacht und kenne diese Belastung." Im vergangenen Herbst hatte Lauterbach geschrieben: "Seit Tagen wird im Netz erneut dazu aufgerufen, mich zu erschlagen. Es ist absolut inakzeptabel, dass so etwas nicht sofort gelöscht werden muss."