Der im Fall Susanna verdächtige, 20-jährige Iraker ist in der Nacht auf Freitag durch kurdische Sicherheitsbehörden im Nordirak festgenommen worden.
Von Michael Bermeitinger
Lokalredakteur Mainz
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REGION - Der Tatverdächtige im Fall der getöteten 14-jährigen Susanna, Ali B., ist im Irak festgenommen worden und muss jetzt mit seiner Auslieferung nach Deutschland rechnen. Der irakische Flüchtling steht im Verdacht, das Mädchen aus Mainz vergewaltigt und umgebracht zu haben. Er war nach Angaben der Staatsanwaltschaft vermutlich am vergangenen Samstag mit seiner gesamten Familie aus Deutschland überhastet abgereist. Nicht übereinstimmende Namen auf Boardkarte und Ausweispapieren fielen am Flughafen nicht auf.
Laut Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nahmen kurdische Sicherheitsbehörden Ali B. in der Nacht zu Freitag im Nordirak fest. "Das mit der Auslieferung läuft jetzt nach den internationalen Regeln", sagte Seehofer am Freitag in Quedlinburg. Mit Hilfe von Polizei und Auswärtigem Amt würden alle nötigen Anträge gestellt. Er dankte den dortigen Behörden für die Unterstützung. Mit Blick auf den mutmaßlichen Täter und dessen vergebliche Flucht sagte er: "Mir ist wichtig, der Bevölkerung mitteilen zu können, dass nach diesem furchtbaren Verbrechen sich Gott sei Dank aufgrund der internationalen Zusammenarbeit niemand mehr - an welcher Stelle in dieser Erde (auch immer) - sicher fühlen kann."
Die Wiesbadener Staatsanwaltschaft erklärte, es gebe kein Auslieferungsabkommen mit dem Irak, die dortigen Behörden seien nicht zu einer Auslieferung verpflichtet. Einen Antrag, dem 20-Jährigen in seinem Heimatland den Prozess zu machen, könne Deutschland nicht stellen: "Im Irak droht ihm die Todesstrafe", sagte die Sprecherin.
Kerzen erinnern in der Nähe des Tatorts an Susanna. Foto: Sascha Kopp
Leiche am Mittwoch gefunden
Die 14-Jährige war vor zwei Wochen verschwunden. Ihre Leiche wurde am Mittwoch in einem Erdloch bei Wiesbaden gefunden. Am Donnerstag gaben die Behörden in einer Pressekonferenz bekannt, dass es sich bei der Leiche um das vermisste Mädchen handele und fahndeten öffentlich nach Ali B..
In Deutschland suchen die Ermittler weiter Antworten auf viele offene Fragen zur Tat. Im für den Fall eingerichteten Call-Center seien bis Freitagmittag rund 70 Hinweise eingegangen, sagte ein Polizeisprecher am Freitag in Wiesbaden. Diese hätten die Beamten aber bisher nicht entscheidend weitergebracht, viele Hinweise würden noch abgeklärt. Den Ermittlern gehe es unter anderem darum, die Geschehnisse vor der Tat so genau wie möglich rekonstruieren zu können. Dafür hoffe man auf Zeugen.
Auch die Staatsanwaltschaft konnte am Freitag keine neuen Erkenntnisse bekanntgeben. Das schriftliche Obduktionsergebnis und die DNA-Analysen lägen noch nicht vor, sagte Oberstaatsanwältin Christina Gräf. Es sei auch unklar, ob man wegen der langen Liegezeit der Leiche überhaupt noch verwertbares DNA-Material finden könnte.
Weitere Verdächtiger freigelassen
Ein weiterer Verdächtiger war am Donnerstag wieder freigelassen worden. Der 35-jährige Flüchtling mit türkischem Pass gelte aber weiterhin als Beschuldigter, sagte die Oberstaatsanwältin. Es bestehe ein Anfangsverdacht, dass er etwas mit der Tat zu tun haben könne. Ein dringender Tatverdacht, der eine Haft rechtfertigen könnte, bestehe aber nicht. Der Mann könne sich frei bewegen.
Susanna soll sich nach Polizeiangaben häufiger in der Flüchtlingsunterkunft in Wiesbaden-Erbenheim aufgehalten haben und den Bruder des tatverdächtigen Irakers näher gekannt haben. Nach bisherigen Erkenntnissen soll sie am Abend des 22. Mai oder in der folgenden Nacht vergewaltigt und umgebracht worden sein. Der tatverdächtige Iraker soll mit seiner Familie am folgenden Samstagabend von Düsseldorf nach Istanbul und von dort aus weiter in den Irak geflogen sein.
Vor seiner Abreise habe es keine Hinweise gegeben, die ihn mit der Tat in Verbindung gebracht hätten, sagte die Staatsanwältin. Erst am folgenden Tag habe sich ein 13-Jähriger aus derselben Flüchtlingsunterkunft als entscheidender Zeuge gemeldet: Er nannte den möglichen Tatort und Ali B. als Täter. Der Iraker soll ihm zuvor von der Tat berichtet haben. Ob der 13-Jährige unter Polizeischutz steht und ob er weiterhin in der Unterkunft wohnt, wollten die Behörden am Freitag nicht sagen.
Auch Kritik an Behörden
Der Fall schlägt deutschlandweit hohe Wellen - es wird auch Kritik an den Behörden auf unterschiedlichen Ebenen laut. Der Asylantrag von Ali B. wurde bereits Ende 2016 abgelehnt, wogegen er klagte. Zudem kam er unter anderem wegen Pöbeleien und Prügeleien mehrfach mit der Polizei in Kontakt, sein Name wurde auch im Zusammenhang mit der Vergewaltigung eines elfjährigen Mädchens genannt. Nach Angaben der Polizei reichten die Beweise aber nicht für eine Inhaftierung.
Bei der Ausreise der Familie stimmten die Namen der Familie nicht mit den Ausweispapieren in arabischer Sprache überein - was am Flughafen nicht auffiel. Bei der grenzpolizeilichen Ausreisekontrolle sei ein Abgleich von Flugticket und Pass nicht vorgesehen, teilte die Bundespolizei am Freitag in Potsdam mit. Im Rahmen der Luftsicherheitskontrolle sei ein derartiger Abgleich ebenfalls "derzeit rechtlich nicht möglich".
Den Beamten der Bundespolizei wurden am Düsseldorfer Flughafen zwei irakische sogenannte Laissez-Passer-Dokumente mit je vier Namen und acht deutsche Aufenthaltsgestattungen von Ali B. und seinen mitreisenden Familienangehörigen gezeigt. "Die vorgelegten Dokumente waren echt, gültig und berechtigten zur Ausreise. Die Lichtbilder stimmten mit den Personen überein", hieß es.
Er begrüße das sehr, kommentierte der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) die Nachricht von der Festnahme des verdächtigen Irakers. Im Gespräch hätten sowohl Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) als auch der Chef des Bundeskriminalamtes in Wiesbaden, Holger Münch, die Wahrscheinlichkeit einer Festnahme im Irak als sehr gering eingeschätzt, sagte Lewentz auf dem Rückweg von Quedlinburg, wo er sich in den vergangenen Tagen auf der Innenministerkonferenz mit Kollegen zu verschiedenen Themen ausgetauscht hatte. Da es kein Auslieferungsabkommen mit dem Irak gebe, so Lewentz, bleibe vorerst unklar, ob der Mann den deutschen Behörden überstellt werden könne. Nach seiner Einschätzung werde dem Gerechtigkeitsempfinden aber nur dann Genüge getan, wenn dem Iraker in Deutschland der Prozess gemacht werden könne. „Ich habe die Bundesregierung darum gebeten, die Möglichkeiten dazu intensiv zu prüfen“, sagte Lewentz.