Elfjährige schwieg lange: Polizei ging Anfangsverdacht einer Vergewaltigung gegen Ali Bashar nach
„Es gab einen Anfangsverdacht gegen Ali Bashar auf eine mögliche Vergewaltigung einer Elfjährigen, und diesem Verdacht wurde auch von Seiten der Wiesbadener Polizei nachgegangen“, stellt Oberstaatsanwältin Christina Gräf klar.
Doch das Mädchen habe lange eine Aussage gegenüber der Polizei verweigert. Nach dem Anruf bei der Polizei durch den Vater des elfjährigen Mädchens, wurde ein Vernehmungstermin für den nächsten Tag vereinbart.
Von Wolfgang Degen
Mitarbeiter Lokalredaktion Wiesbaden
Ali Bashar in Begleitung von Einsatzkräften. Archivfoto: Sascha Kopp
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WIESBADEN - „Es gab einen Anfangsverdacht gegen Ali Bashar auf eine mögliche Vergewaltigung einer Elfjährigen, und diesem Verdacht wurde auch von Seiten der Wiesbadener Polizei nachgegangen“, stellt Oberstaatsanwältin Christina Gräf klar. „Es wurde ermittelt“, sagt Gräf. Für große Aufregung hatten am Donnerstag Medienberichte gesorgt, wonach die Polizei dem Anfangsverdacht nicht nachgegangen sein soll. Gräf widerspricht.
Der 21-jährige Bashar sitzt seit dem 10. Juni in Untersuchungshaft. Er hat gestanden, die 14 Jahre alte Susanna aus Mainz in der Nacht zum 23. Mai in Wiesbaden getötet zu haben. Die ihm zur Last gelegte Vergewaltigung der Schülerin bestreitet er. Eine Woche vor dem Verbrechen an Susanna, am 17. Mai, wurde die Wiesbadener Polizei telefonisch vom Vater der Elfjährigen über die mutmaßliche Vergewaltigung seiner Tochter durch einen „Ali“ in der Flüchtlingsunterkunft im Kreuzberger Ring informiert. Dort lebte Ali Bashar mit seiner Familie. Dort wohnten aber auch noch drei weitere junge Männer mit dem Namen „Ali“.
Mädchen lehnte Untersuchung ab
Für den darauffolgenden Tag, den 18. Mai, wurde nach Informationen dieser Zeitung ein Vernehmungstermin des Opfers im Kommissariat zur Aufklärung von Sexualdelikten vereinbart. Durch das persönliche Befragen des Kindes sollte der Verdacht konkretisiert werden. Wer war es gewesen? Was hat er wann, wo und wie gemacht? Um mit diesen Erkenntnissen weitere Maßnahmen vorzubereiten, bis hin zur Festnahme. Besprochen worden sei mit dem Vater auch, dass umgehend eine gynäkologische Untersuchung seiner Tochter vorzunehmen sei. Diese für die Beweiserhebung wichtige körperliche Untersuchung soll das Kind abgelehnt haben.
Anfangsverdacht
Laut Strafprozessordnung ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Anfangsverdacht setzt stets das Vorliegen von konkreten Tatsachen voraus, die es als möglich erscheinen lassen, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt. Das zur Last legen einer Straftat darf nicht auf bloße Vermutungen gestützt werden.
Am Abend des 17. Mai tauchte der Vater mit seiner Tochter und zwei Begleitern in der Flüchtlingsunterkunft auf. Wollte er die Sache selbst in die Hand nehmen? Sie trafen auf den Hausmeister und erzählten, was passiert sein soll. Das Verbrechen sei nach Schilderung des Mädchens in einem Zimmer im Erdgeschoss passiert. Im Erdgeschoss, das wusste der Hausmeister, wohnt von den vier Alis der Unterkunft nur einer - Ali Bashar. Hielt man es in der Familie für wichtiger, den Hausmeister ins Bild zu setzen?
Vernehmungstermin kurzfristig abgesagt
Den mit Polizei für den 18. Mai vereinbarten Vernehmungstermin jedenfalls soll die Familie kurzfristig telefonisch abgesagt haben. Für diesen Termin hatten die Ermittler Fotos aller „Alis“ vorbereitet. Bei Mitarbeit des Opfers hätte der mutmaßliche Täter zweifelsfrei identifiziert werden können. Seit diesem 18. Mai stand der Name Ali Bashar für die Polizei als Beschuldigter im Raum. Das hat die Polizei übrigens bei der Pressekonferenz nach dem Fund von Susannas Leiche bereits am 7. Juni mitgeteilt. Bashar wurde, weil das Opfer gegenüber der Polizei keine Aussage machte, in der Sache nicht vernommen. Weder Fehler noch Schlamperei: „Was hätten wir ihm zu diesem Zeitpunkt denn konkret als Sachverhalt vorhalten sollen?“, sagt Gräf. „Das Mädchen hat ja nicht mit der Polizei gesprochen“. Es seien bis dahin alles Angaben vom Hörensagen gewesen. Eine Vernehmung des Beschuldigten habe „keinen Sinn gemacht“.
Auch die dann für den 22. Mai vereinbarte Vernehmung kam nicht zustande. Das Opfer und Eltern tauchten nicht auf. Weil sie auch auf Anrufe nicht reagiert haben sollen, wurde eine Streife zur Wohnung geschickt. Man wollte sie abholen. Das sei unmöglich, alle seien krank. Auch am 29. Mai kam eine Vernehmung nicht zustande. Wie soll da ermittelt werden? Wieder verweigert. Am 1. Juli hat das Mädchen nun endlich persönlich mit der Polizei gesprochen.