Ebling ist neuer Innenminister: Was passiert in Mainz?

Vorübergehend würde Günter Beck (rechts) die Aufgaben von Michael Ebling übernehmen.  Foto: Sascha Kopp

Den Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) zieht es ins Innenministerium. Wer übernimmt seine Aufgaben in Mainz? Und wann wird neu gewählt?

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MAINZ. Der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) ist Nachfolger des zurückgetretenen rheinland-pfälzischen Innenministers Roger Lewentz werden. Was bedeutet das für Mainz? Wer folgt hier auf Ebling? Und wann muss ein neuer Oberbürgermeister gewählt werden?

Die rheinland-pfälzische Gemeindeordnung sieht in Paragraf 50 vor, dass der Bürgermeister der „allgemeine Vertreter“ des Oberbürgermeisters „bei dessen Verhinderung“ ist. Damit würde Finanz- und Sportdezernent Günter Beck (Grüne) vorübergehend die Amtsgeschäfte Eblings übernehmen bis zur Wahl des neuen Oberbürgermeisters. Für diese Wahl schreibt die Gemeindeordnung in Paragraf 53 vor, dass sie „spätestens drei Monate nach Freiwerden der Stelle erfolgen“ muss. Damit stünde Mainz ein Weihnachts-Wahlkampf bevor mit einer Wahl Anfang 2023 mitten in der Fastnachtskampagne.

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Mit dem Wechsel ins Innenministerium von Michael Ebling übernimmt Bürgermeister Günter Beck (Grüne) kommissarisch die Amtsgeschäfte des Oberbürgermeisters. „Ich kann diese Rolle gut ausfüllen“, sagt Beck im Gespräch mit dieser Zeitung. „Das habe ich Anfang 2012 und auch während der Urlaubsvertretungen für den OB bewiesen.“ Bereits nach dem Rücktritt des damaligen OB Jens Beutel (SPD) im Dezember 2011 war Beck bis zur Amtseinführung des neugewählten Oberbürgermeisters Ebling im April 2012 vorübergehend Stadtoberhaupt von Mainz. Er habe zu Michael Ebling ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis. Die Übernahme der Amtsgeschäfte werde daher wohl reibungslos verlaufen. Erst am Donnerstag frühmorgens habe er vom Wechsel erfahren.

„Ich habe einen Anruf erhalten, dass ich früher ins Stadthaus kommen soll.“ Am Nachmittag hat der Grünen-Politiker den Noch-OB direkt vertreten: beim Richtfest für den Neubau des Pharma-Unternehmens Novo Nordisk am Kisselberg. Sollte Beck während der OB-Vakanz eine Vertretung aus dem Stadtvorstand benötigen, erfolgt diese gemäß der Nummerierung der Dezernate: Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) ist somit die Stellvertreterin.

Stadtvorstand wenig überrascht

Im Stadtvorstand sorgt die Nachricht nicht unbedingt für Überraschung: Die Idee, Ebling zum Innenminister zu machen, sei „logisch und schlau“, sagt Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) im Gespräch mit dieser Zeitung. Mainz verliere einen „sehr fähigen und tollen OB, aber das Land bekommt einen ausgezeichneten Innenminister“. Ebling bringe „ein riesiges Paket Erfahrung“ mit in sein neues Amt. „Ein Innenminister muss wissen, wie die Uhren kommunal gehen“, so Grosse, und das sei bei Ebling nach zehn Jahren im Amt allemal der Fall.

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Für die OB-Wahl Anfang 2023 sehe sie die SPD gut aufgestellt, erklärt die Dezernentin. „Da gibt es viele begabte Genossinnen und Genossen, die kandidieren können.“ Ob sie sich selbst eine Kandidatur vorstellen könne? „Nein“, sagt Grosse. Das sei ihr sofort klar gewesen, als sie erfahren habe, dass Ebling Innenminister werde. Unter anderem mit der Ludwigsstraße und dem Gutenberg-Museum liefen in Mainz viele Projekte, die sie zu Ende bringen wolle. „Das ist eine ganz wichtige Phase für Mainz, in der der Kopf des Dezernats richtig gut drin sein muss in den Themen.“ Sie sehe einige andere Leute in der SPD, die bei der OB-Wahl Chancen hätten, Eblings Nachfolge anzutreten. Die entsprechende Person müsse durchsetzungsstark sein und „richtig hart rund um die Uhr arbeiten“ können.

Die Mainzer Umweltdezernentin Janina Steinkrüger wollte am Donnerstag kein Statement zum Wechsel an der Stadtspitze abgeben. Das ließ die Grünen-Politikerin auf Nachfrage dieser Zeitung am Donnerstagmittag über ihr Sekretariat im Dezernat ausrichten. Einen „logischen Schritt“ sieht der Kreisvorsitzende der Mainzer Grünen Jonas König in der Berufung Eblings in die Landesregierung. Schließlich sei der bisherige Mainzer Oberbürgermeister dort bestens vernetzt – ganz speziell auch mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Davon habe die Landeshauptstadt bereits in der Vergangenheit immer wieder profitiert. Nun sei es für Mainz gut, einen starken Verbündeten im für die Kommunen zuständigen Innenministerium zu haben. Für die Mainzer Ampel-Koalition sei Ebling eine „tragende Säule“ gewesen. Auch wegen der guten Zusammenarbeit mit dem scheidenden OB habe die Koalition immer gut funktioniert.

Genossen überrascht

Eblings eigene Partei wurde derweil nach eigenem Bekunden am Donnerstag vom Abgang des OB überrascht. „Wir waren nicht darauf eingestellt, wurden heute Morgen in einer kleinen Runde informiert. Danach habe ich mir erstmal für heute und morgen von der Arbeit freigenommen“, sagte Christian Kanka, einer der beiden Mainzer SPD-Vorsitzenden, im Gespräch mit dieser Zeitung. Man habe sodann den Parteiunterbezirk und die Ortsvereine via Online-Videositzung informiert. Am frühen Abend eilte Kanka gemeinsam mit Genossen in die Staatskanzlei zur Pressekonferenz, um dem scheidenden OB und künftigen Innenminister von Rheinland-Pfalz mit einem Blumenstrauß zu gratulieren. Dies geschehe zwar einerseits mit einem lachenden Auge, weil man sich sehr für Ebling freue. Andererseits aber auch mit einem weinenden Auge. Denn nun geht es um die schwierige Frage, wen die SPD als OB-Kandidat nominieren wird . Wer da namentlich im Spiel ist und ob gar er selbst eventuell von der SPD nominiert werde – dazu wollte sich Kanka am Donnerstag noch nicht äußern: „Wir werden am Freitag in Ruhe beginnen, uns mit der Personalfrage auseinanderzusetzen. Es gehen mir schon ein paar Namen durch den Kopf. Aber es muss ja auch jemand sein, der das wirklich machen möchte.“ Keinen Zweifel ließ Kanka daran, dass die SPD überzeugt ist, auch weiter das oberste Amt in der Stadt zu bekleiden: „Wir haben keine Angst, den OB-Posten zu verlieren. Wir sind sicher, dass es eine SPD-Frau oder ein SPD-Mann werden wird. Wir sind selbstbewusst genug, das sagen zu können.“

Chance für die Grünen?

Ob der Weggang Eblings für die Grünen nun die große Chance bedeute, bei der anstehenden OB-Wahl Anfang 2023 nach der Stadtspitze zu greifen? Mittlerweile sei es so, dass die Grünen grundsätzlich immer eine Chance hätten, solche Posten zu erobern, sagt König. Wenn der Wahltermin feststehe, werde man einen Zeitplan für die Kandidatenfindung vorstellen. „Wir werden jetzt intern intensiv beraten. Es ist nicht viel Zeit“, so der Grünen-Vorsitzende. Es gebe einige Personen, die als Kandidatinnen oder Kandidaten infrage kommen könnten. „Wir haben viele Grüne, die in der Stadt und in der Landesregierung prägende Aufgaben haben“, so König. Und es sei klar, dass Akteure, die aktuell Verantwortung trügen, generell für eine OB-Kandidatur infrage kämen.

Bei der FDP ist die Überraschung derweil groß. Fraktionschef David Dietz meint aber auch, dass die Entscheidung nachvollziehbar sei. „Ich kann es verstehen, dass Michael Ebling eine neue politische Herausforderung sucht.“ Auch aus Sicht der Landesregierung sei die Personalie folgerichtig. Dennoch: „Mainz verliert einen profilierten Oberbürgermeister, der mit einem extrem guten Netzwerk der Stadt gut getan hat.“ Nun stehe der Stadt ein Wahlkampf bevor – auch das werde eine spannende Zeit. Wie die FDP sich positionieren werden, solle nun in aller Ruhe in den Gremien besprochen werden.

Matz: Sportlicher Wahlkampf

Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) hatte mit dieser Neuigkeit ebenfalls nicht gerechnet. Klar ist für sie, dass der Wahlkampf nun „eine sportliche Sache“ werde. Innerhalb der CDU wolle man nun in Ruhe die Lage sondieren. Auch im Stadtvorstand werde man nun in Ruhe die neue Lage besprechen. Ein Amt allerdings hat die Wirtschaftsdezernentin schon von Ebling geerbt: Sie wird heute Abend auf dem Mainzer Oktoberfest das Fass anstechen und das Fest eröffnen.

Auch für Tupac Orellana (Die Linke) kommt das Ende von Eblings OB-Amtszeit zunächst überraschend. „Ich habe damit nicht gerechnet, bin mir aber sicher, dass dies ganz schön was auslösen wird in der Stadt.“ Es seien bewegte Zeiten, auch für die Stadt Mainz, so Orellana und verweist etwa auf die neue Haushaltslage der Stadt. Als Oppositionspolitiker habe er viele Differenzen und Diskussionen mit Ebling gehabt. „Aber die Spur, die er in der Stadtpolitik hinterlässt, seine Bedeutung für Mainz, die kann und sollte man nicht unter den Teppich kehren. Er ist absoluter Profi“, sagt der Linken-Politiker, der bereits gespannt auf die Suche nach einem Nachfolger blickt. „Ich kann mir aktuell aus den Reihen der Mainzer SPD niemanden vorstellen, der eine entsprechende Schuhgröße hat.“ Unabhängig von der Personalie in der OB-Nachfolge könne er sich jedoch nur schwer vorstellen, dass sich das Vorgehen der Ampelfraktionen ändern werde. „Gerade im Umgang mit der Opposition. Es wird auch weiterhin so sein, dass die Ampelfraktionen nur wenig zulassen, was nicht aus den eigenen Reihen kommt.“

Für Claudius Moseler (ÖDP) kam Eblings kurzfristiger Amtswechsel am Ende doch überraschend. Der Lewentz-Abgang habe sich in den vergangenen Wochen zwar abgezeichnet. „Aber Herr Ebling hat ja bis zuletzt immer wieder betont, dass das Amt des Oberbürgermeisters das schönste Amt für einen Mainzer sei.“ Insofern überrasche ihn das Ende der Amtszeit, erst wenige Jahre nach dessen Wiederwahl, dann doch. Die Zusammenarbeit mit Ebling über die Jahre sei stets geprägt gewesen von gegenseitigem Respekt. „Auch wenn in der Sache immer mit der gebotenen Härte diskutiert wurde“, so Moseler. Als Jurist sei Ebling eine „Allzweckwaffe“, die ihn letztlich auch in das neue Amt gebracht habe. Mit Ebling an der Stadtspitze seien unter anderem der Ausbau im Bereich der Schulen und Sportflächen vorangetrieben worden. Sein Weggang biete nun aber auch die Chance, „neuen Schwung in bestimmte Themenbereiche zu bekommen“, sagt der ÖDP-Politiker. Wie etwa Klimaschutz, nachhaltige Stadtentwicklung und die Kompetenzen der Ortsbeiräte. „Was mögliche Kandidaten für die OB-Wahl betrifft, fehlt mir allerdings mit Blick auf alle drei großen Parteien, also SPD, CDU und Grüne die Fantasie“, sagt Moseler noch.

Die AfD im Mainzer Stadtrat freut sich, dass Ebling seinen Posten als Oberbürgermeister räumen wird. „Einerseits ist es gut für die Stadt Mainz, endlich eine Chance auf einen neuen innovativen Oberbürgermeister zu bekommen", schreibt AfD-Fraktionschef Lothar Mehlhose.

Andererseits aber sei „es schlecht für Rheinland-Pfalz jemanden zum Innenminister zu bekommen, der in seiner bisherigen Aufgabe dadurch aufgefallen ist, schwierige Themen einfach auszusitzen und wenig bis keine neuen Ideen umzusetzen.“