Zweimal im Abstand von sieben Tagen hat es in einem Hochhaus im Sertoriusring in Mainz-Finthen gebrannt. Für die Mieter hat das bis heute dramatische Folgen.
MAINZ. Auf dem kleinen Tisch in dem Einzimmerappartement im ersten Stock des Hochhauses im Finther Sertoriusring steht ein silbernes Tablett. Darauf ein Feuerzeug und Dutzende von Teelichtern. Die sind für abends, wenn es dunkel wird. Daneben liegt eine Taschenlampe. Die hat Silvia Roßkopp immer dabei, wenn sie über den Flur und ins Treppenhaus geht. Oder in ihre Küche, denn die hat kein Tageslicht. Obwohl sie sich dort momentan ohnehin nichts kochen kann. Eine Kiste auf dem Balkon dient als Ersatz für den Kühlschrank, um wenigstens die Wurst fürs Abendessen kaltstellen zu können.
Nachbarin Traudel Schmitt von gegenüber bringt jeden Morgen einen warmen Kaffee vorbei. Bei ihr kann Silvia Roßkopp auch ihr Handy aufladen. Das ist wichtig, denn: Wenn sie Besuch bekommt, muss dieser sich übers Handy anmelden. Die Klingel funktioniert nämlich ebenfalls nicht. Seit drei Wochen muss Silvia Roßkopp so leben. Zwar mit Wasser und Heizung. Aber ohne Strom.
Manche Appartements sind unbewohnbar
Auch sieben weiteren Mietern aus dem linken Abschnitt des achtstöckigen Hochhauses mit der Hausnummer 3 geht das so. Manche können derzeit nicht in ihren Appartements wohnen. Die anderen wie Marina Schüller müssen sich wohl oder übel mit der Situation arrangieren.
Doch von Anfang an: Im Abstand von einer Woche hat es in dem Gebäudekomplex mit insgesamt 43 Wohnungen aus den 70er Jahren zweimal gebrannt. Beim ersten Mal am 8. September um 3.30 Uhr im Erdgeschoss bei Mieter Ciro Giordano. „Ich dachte, wir hätten das Licht in der Küche angelassen. Ich bat meine Freundin, es auszumachen. Aber es war kein Licht, sondern Feuerschein aus dem Versorgungsschacht“, erinnert sich Giordano.
Im Pressebericht der Feuerwehr steht damals, ein Elektroverteiler sei in Brand geraten. Silvia Roßkopp: „Es gab wohl einen Wasserschaden im achten Stock. Über den Versorgungsschacht, der all unsere Küchen quasi verbindet und wo Strom- und Wasserleitungen nebeneinanderliegen, lief das Wasser nach unten. Es gab einen Kurzschluss.“ Das zweite Feuer brach in der Nacht auf den 15. September aus. Diesmal im fünften Stock.
Keine Infos von der Hausverwaltung
Auch beim zweiten Mal ging der Brand wieder von einem Sicherungskasten im Bereich des Versorgungsschachtes aus. Deshalb ließ die FNW Haus- und Grundstücksverwaltung GmbH mit Sitz in Wiesbaden „vorsorglich ... alle den Strang betreffenden Sicherungen“ ausschalten, wie am Eingang des Gebäudes in einem Aushang zu lesen ist. Damit waren auch die Notstromleitungen, die nach dem ersten Brand gelegt worden waren, gekappt.
Ein Brandgutachter, auch dies steht in dem Aushang zu lesen, sei eingeschaltet. Der aber hat seinen für Freitag angekündigten Besuch krankheitsbedingt absagen müssen. Und nun? Silvia Roßkopp zuckt die Schultern: „Wir werden von der Hausverwaltung nicht informiert, wie es weitergeht. Ich habe von meinem Vermieter mittlerweile zwar erfahren, dass wohl eine hundertprozentige Mietminderung möglich ist. Aber lieber zahle ich Miete und lebe dafür in einer Wohnung mit Strom.“ Bei der Frage der Zuständigkeiten drehe sich einfach vieles im Kreis: „Ich habe bei meiner Hausratversicherung gefragt, wer für meine Kosten aufkommt, für die durch die Rußpartikel verdorbenen Lebensmittel, für das warme Essen, das ich mir ja derzeit auswärts besorgen muss. Man hat mich an die Hausverwaltung verwiesen.“
Auch Ciro Giordano ist ratlos. Er sagt, er habe die Auskunft erhalten, weil er keine Hausratversicherung habe, könne er nicht in ein Hotel ziehen. Die Wohnung des 53-Jährigen ist durch den vielen Brandruß unbewohnbar: „Ich schlafe mal hier, mal dort, sogar manchmal im Auto.“
Fragen nach Sicherheit und Brandschutz
Die Eigentümerversammlung am Mittwoch brachte wohl ebenfalls wenig Erhellendes. Walter Neumann, der im Sertoriusring 3 in einer Wohnung lebt, die ihm gehört und die nicht von den Auswirkungen der Brände betroffen ist, sagt: „Über die Brände und den aktuellen Stand der Dinge wurde in der Versammlung noch keine fünf Minuten gesprochen.“
Die Ungewissheit für die Mieter, die völlig unverschuldet in diese Situation geraten sind, ist das eine. Das Gefühl mangelnder Sicherheit das andere. Die Wohnanlage, in der sich das Hochhaus Sertoriusring 3 befindet, ist groß. Alle Gebäude entstanden wohl in den 70er Jahren. Steht zu befürchten, dass alle Versorgungsschächte nicht mehr den aktuellen Brandschutzbestimmungen genügen?
Auch diese Frage stellt diese Zeitung der Hausverwaltung per Mail, nachdem eine FNW-Mitarbeiterin am Donnerstag auf telefonische Anfrage erklärt hat, die Geschäftsführung befinde sich auf einem Seminar und sei erst in der kommenden Woche wieder zu sprechen. Zumindest bis Freitagmittag aber hat die FNW diese und andere Fragen nicht beantwortet.