Sechs Aktivisten hatten am Morgen die Binger Straße an der Alicenbrücke blockiert. Die Polizei hat sie mittlerweile von der Fahrbahn gelöst. Nun beginnt die Aufarbeitung.
Mainz. Sechs Klimaaktivisten der Letzten Generation haben sich am Freitagmorgen gegen 8.15 Uhr auf der Binger Straße an der Alicenbrücke stadteinwärts In Höhe des Hauptbahnhofs West auf einer Kreuzung festgeklebt. Die Polizei kam umgehend dazu. Es kommt zu Verkehrsbeeinträchtigungen. Bundesweit sollen heute erneut in verschiedenen Städten entsprechende Aktionen stattfinden.
Vier der sechs Aktivisten hatten sich auf der Fahrbahn festgeklebt, teilweise mit Zwei-Komponenten-Kleber. Eine von zwei Frauen soll schwanger sein. Gegen 8.30 Uhr erfolgte die erste Warnung der Polizei, dass es sich um eine unangemeldete Versammlung handele und auch der Verdacht einer Nötigung der Verkehrsteilnehmer im Raum stehe. Bis 8.45 Uhr sollten sich die Versammlungsteilnehmer selbstständig lösen, lautete die Ansage eines Beamten. Ansonsten würden Einsatzkräfte dies mit entsprechenden Lösungsmitteln übernehmen. Ein Versammlungsleiter meldete sich allerdings nicht. Daher erklärte die Polizei um 8.52 Uhr, die Versammlung sei aufgelöst. Erneut wurden die Aktivisten angesprochen, aufgefordert, sich von der Fahrbahn zu lösen. Um 9 Uhr erfolgte die zweite Aufforderung, um 9.05 Uhr die dritte, die Fahrbahn frei zu machen. Wenn sie nicht aufstehen könnten, würden Polizisten eingreifen. Ein Beamter erteilte den Aktivisten einen Platzverweis für die Binger Straße, den Alicenplatz und den Hauptbahnhof bis 22 Uhr.
Unser Reporter Nicholas Steinberg kommentiert das Wegtragen der Aktivisten vor Ort.
Asphalt rund um die Hände freigeflext
Die Aktivisten kommen nicht ausschließlich aus Mainz. Sie haben Plakate und Poster dabei. Auf einem Poster eines Aktivisten aus Mannheim ist ein 48-jähriger Mitstreiter zu sehen, der nach ähnlichen Aktionen in Bayern zum zweiten Mal in Präventivhaft sitzt. Um 9.10 Uhr wurde die erste Aktivistin von der Fahrbahn getragen. Kurz darauf folgte der nächste Demonstrant. Gegen 9.20 Uhr wurde die Schwangere, die sich mit Sekundenkleber festgeklebt hatte, unter anderem mit Olivenöl vom Asphalt gelöst. Gegen 9.30 Uhr saß nur noch ein Aktivist auf der Straße. Er war mit einer Hand mit Zwei-Komponentenkleber auf der Straße festgeklebt. 9.45 Uhr: Mit Spachtel und Olivenöl versuchten die Beamten nun, den Mann von der Straße zu trennen. In der Folge soll auf Anweisung der Straßenverkehrsbehörde ein Spezialfahrzeug die Fahrbahn reinigen und unter anderem von Öl befreien. Gegen kurz nach 10 Uhr wurde zunächst mit einer kleinen Elektrosäge versucht, die Hand des Aktivisten von der Fahrbahn zu schneiden. Doch ohne Erfolg. Um 10.15 Uhr begannen Spezialisten, den Asphalt rund um die Hand aufzuflexen. Um 10.25 Uhr haben Fachleute den Asphalt rund um die Hand mit einem Schlagbohrer mit Meißelfunktion und einer Flex freigelegt. Die Polizei brachte den Aktivisten von der Straße.
Der Asphalt wurde in einer Tiefe von fünf Zentimetern abgetragen – die oberste Asphaltschicht also. Während der 38-jährige Aktivist aus Mannheim wie seine fünf Mitstreiter zuvor ebenfalls auf eine Polizeidienststelle gebracht wird, um dort seine genaue Identität festzustellen und entsprechende Anzeigen zu schreiben, wird an der Alicenbrücke umgehend mit den Reparaturarbeiten an der Fahrbahn begonnen. Anschließend wird die durch Öl und andere Stoffe verunreinigte Straße noch gereinigt. Gegen 10.45 Uhr sind die Arbeiten beendet und die Straße wird wieder für den Straßenverkehr freigegeben.
Nun werden Vorkommnisse und Abläufe im Detail aufgearbeitet, sowohl von der Polizei als auch von den zuständigen Abteilungen der Stadt Mainz. Die Aktivisten wurden vor Ort von Rettungskräften betreut. Allerdings war nach derzeitigem Stand keine weitere Behandlung notwendig. Wie Polizeisprecher Rinaldo Roberto berichtet, werde gegen alle sechs Aktivisten wegen des Straftatbestands der Nötigung ermittelt. Zudem stünde die Teilnahme an einer unangemeldeten Versammlung im Raum. Gegen den 38-Jährigen, der freigeflext werden musste, wird wegen der beschädigten Fahrbahn zudem wegen Sachbeschädigung ermittelt. Derweil haben auch die Aktivisten der „Letzten Generation” gegen 12 Uhr eine Stellungnahme veröffentlicht.
So geht es nach der Protestaktion weiter.
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Erste Aktion dieser Art in Mainz
Nach eigener Aussage wollten die Aktivisten „friedlich einen wichtigen Verkehrsweg in die Innenstadt” lahmlegen, um der Forderung nach Einführung eines Tempolimits auf deutschen Autobahnen und nach einem 9-Euro-Ticket für den ÖPNV Nachdruck zu verleihen. Laut Rinaldo Roberto, Pressesprecher der Mainzer Polizei, gelang es durch frühzeitige Umleitungen jedoch, die Beeinträchtigungen im morgendlichen Berufsverkehr einigermaßen gering zu halten. Es war die erste Aktion der „Letzten Generation” in Rheinland-Pfalz.
Unser Reporter Nicholas Steinberg kommentiert das Geschehen vor Ort.
Die „Letzte Generation“ sorgt mit ihren Blockadeaktionen oder mit Attacken auf Kunstwerke derzeit oft für Schlagzeilen, wird dafür aber auch scharf kritisiert. Mit ihren Aktionen will die Gruppe den Druck auf die Bundesregierung erhöhen, stärker gegen die Klimakrise vorzugehen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat unlängst die erneuten Blockadeaktionen wie folgt kommentiert: „Protest gegen Umweltzerstörung oder gegen Klimazerstörung ist gerechtfertigt und es ist richtig. Aber er sollte so gewählt sein, dass Menschen nicht unnötig darunter leiden, damit die Akzeptanz in der Bevölkerung für den Klimaschutz nicht gefährdet wird.“
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