Unimedizin Mainz: Jetzt wird doch an der Forschung gespart

Eine ganze Reihe befristeter Stellen im Bereich der medizinischen Forschung können an der Universitätsmedizin Mainz nicht wieder besetzt werden. 

Der Vorstand hat beim Stromeinkauf Risiko gespielt und der Wissenschaftsminister hält nicht Wort. Eine kritische Analyse von Friedrich Roeingh.

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Mainz. Der Aufstand ist abgeblasen. Der Fachbereichsrat der Universitätsmedizin Mainz hat jetzt doch den 2023er Haushalt für Forschung und Lehre freigegeben. Das Gremium hatte dem Haushalt zuvor in einer beispiellosen Aktion seine Zustimmung verweigert. Durch exorbitant gestiegene Energiekosten müssen bei der Forschung 4,37 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr eingespart werden. Die rheinland-pfälzische Landesregierung unterläuft damit ihre eigenen Ankündigungen, den Forschungsstandort nicht zu schwächen. Zu einem Zeitpunkt, zu dem sie sich vor dem Hintergrund der Erfolge der Mainzer Biotechnologie immer wieder selbst für ihre Forschungspolitik lobt.

Zwei Punkte haben den Widerstand gegen den am Ende um sieben Prozent gekürzten Forschungshaushalt zusammenbrechen lassen: Der Fachbereichsrat, in dem neben Chefärzten und forschenden Professoren auch Studenten und wissenschaftliche Mitarbeiter vertreten sind, wollte den wissenschaftlichen Vorstand Ulrich Förstermann nicht im Regen stehen lassen. Er war wegen des öffentlich ausgetragenen Streits von der Landespolitik unter Druck gesetzt worden. Der zweite Punkt: Im Zuge der Auseinandersetzungen hatte sich herausgestellt, dass der Vorstand der Universitätsmedizin auch ganz persönlich Verantwortung für die überdurchschnittlichen Energiepreissprünge trägt, die die Universitätsmedizin im vergangenen Jahr so zugesetzt haben.

Teure Quittung für risikoreichen Stromeinkauf: Christian Elsner, kaufmännischer Vorstand der Universitätsmedizin Mainz.
Teure Quittung für risikoreichen Stromeinkauf: Christian Elsner, kaufmännischer Vorstand der Universitätsmedizin Mainz. (© VRM)

Christian Elsner hat seinen Nimbus als nüchterner Kaufmann verspielt

Der Schwarze Peter liegt hier beim kaufmännischen Vorstand Christian Elsner. Nachdem die Uniklinik in den vergangenen Jahren immer Jahresverträge beim Hauptkostentreiber Strom abgeschlossen hatte, hatte sich Elsner entschieden, zum Jahreswechsel ‘22 auf vierteljährliche Stromverträge umzusteigen, weil die Ein-Jahres-Konditionen deutlich angezogen waren. Eine Entscheidung, die gründlich nach hinten losging. Die Energiekosten der Universitätsmedizin Mainz verdreifachten sich von 15 Millionen Euro in 2021 auf 47 Millionen Euro in 2022. Davon machen die Stromkosten den Löwenanteil aus - mit einem Sprung von 9 Millionen Euro in 2021 auf 29 Millionen Euro in 2022.

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Die Erklärung des Vorstands der Universitätsmedizin, man habe den Krieg in der Ukraine nicht vorhersehen können, verfängt dabei nur bedingt. Zum Zeitpunkt steigender Preise auf kurzfristige Einkäufe zu setzen, erhöht grundsätzlich das Risiko. Vierteljahresverträge für den größten Kostenblock des Energiebezugs abzuschließen, wird sowohl bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft als auch beim Verband der Deutschen Universitätsklinika als unüblich bewertet. Mit einer Verdoppelung der Energiekosten hätten viele Kliniken zu kämpfen, eine Verdreifachung sei außergewöhnlich. Zitieren lassen möchte sich hier allerdings niemand.

Die Einkaufspolitik wird der Universitätsklinik ein Rekorddefizit bescheren

Natürlich schlagen die 32 Millionen zusätzliche Energiekosten in 2022 nicht nur auf den Forschungshaushalt der Mainzer Universitätsklinik durch. In der Sitzung des Fachbereichsrats kam Elsner zu der Einschätzung, dass die Universitätsmedizin 2022 mit einem Rekorddefizit von über 70 Millionen Euro abschließen könnte. Die genaue Bilanz wird stets erst zur Jahresmitte vorgelegt. Zum Vergleich: Im Corona-Jahr 2021 betrug das Defizit 39 Millionen. Zahlen, die dem Nimbus des kaufmännischen Vorstands massiv zusetzen, der von der Landesregierung einst bestellt worden war, um die Mainzer Universitätsmedizin auf wirtschaftlich solidere Beine zu stellen.

Während für die Defizite des Krankenhausbetriebs der Uniklinik am Ende der Steuerzahler aufkommen muss, müssen Forschung und Lehre stets einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen. Die Folgen der - zum Teil hausgemachten - Energiekatastrophe muss nun vor allem die hochgelobte Forschung ausbaden. Das Minus von 4,4 Millionen Euro im nun doch beschlossenen Forschungshaushalt 2023 entspricht in etwa 30 Stellen. „Am Ende werden wir aber nicht nur auslaufende Zeitverträge nicht mehr ersetzen können. Wir müssen auch konkrete Einschnitte bei Forschungsprojekten vornehmen”, klagt einer der Professoren, die an der Universitätsmedizin nicht in den Klinikbetrieb eingebunden ist.

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Clemens Hoch (SPD), Wissenschaftsminister in Rheinland-Pfalz, nimmt an einem Redaktionsgespräch teil.
Hat seine Versprechen für die Forschung nicht gehalten: Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD). (© Arne Dedert/dpa/Archivbild)

Was ein SPD-Staatssekretär von demokratisch verfasster Mitbestimmung hält

Dabei hatte der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Clemens Hoch (SPD) erst vor einem Monat noch das Gegenteil versprochen. „Die Hochschulen und Universitäten werden 2022 und 2023 keine zusätzlichen Belastungen aus den Energiekosten haben”, erklärte Hoch wörtlich: „Sie müssen nicht über Sach- oder Personalmittel die Energiekosten sparen” - zu einem Zeitpunkt, als die Allgemeine Zeitung die drohenden Einschnitte im Bereich der medizinischen Forschung bereits thematisiert hatte. Ein Blick über den Tellerrand: Was in Rheinland-Pfalz nur versprochen wurde, wird in Baden-Württemberg eingelöst. Das Land hat im Doppelhaushalt 2022/23 eine Milliarde Euro bereitgestellt, um Einschnitte bei Hochschulen und Universitätskliniken durch die Energiepreisexplosion aufzufangen. Rheinland-Pfalz hat für den gleichen Zeitraum 64 Millionen bereitgestellt. Zum Vergleich: Der gesamte Landesetat Baden-Württemberg umfasst 57,5 Milliarden Euro (2022), der in Rheinland-Pfalz 20,6 Milliarden.

Auch Denis Alt, der Aufsichtsratsvorsitzende der Universitätsmedizin und Staatssekretär im Wissenschaftsministerium, hat sich in der Auseinandersetzung um die Einschnitte im Forschungsetat der Uniklinik nicht mit Ruhm bekleckert. Nach dem offenen Brief des Fachbereichsrats an Gesundheitsminister Hoch hatte Alt den wissenschaftlichen Vorstand Förstermann angeraunzt, es sei seine Aufgabe, „so etwas zu verhindern”. Das ist nicht nur für einen Sozialdemokraten ein eigenartiges Verständnis von der Rolle demokratisch legitimierter Gremien. Der Fachbereichsrat der Universitätsmedizin hat bei grundsätzlichen Fragen zu Forschung und Lehre ein Entscheidungs- und nicht nur ein Anhörungsrecht.