Türchen 6: Nikolaus zu vermieten

Adventszeit 2022

Bis zum 24. Dezember öffnen wir für unsere Leser täglich ein Türchen in unserem Adventskalender der Regionen. Die Geschichten sollen Freude bereiten und Ideen geben.

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Mittelhessen. Alles ist still, die Kinder warten gespannt. Dann hört man Schritte, vielleicht sogar ein Glöckchen. Ein Mann mit rotem Mantel, schweren Stiefeln und einem weißen Rauschebart erscheint. Endlich! Der Nikolaus ist da! Der Höhepunkt für jedes Kind – und vielleicht auch Erwachsenen – am Nikolaustag. Im familiären Kreis oder im Verein übernimmt diese Rolle oft ein Verwandter und Bekannter. Doch was, wenn diese nicht zur Verfügung stehen? Oder wenn es um eine große Firmenfeier geht?

Dann gibt es die Möglichkeit, sich einen Nikolaus oder Weihnachtsmann zu mieten. Dazu finden sich einige Seiten im Netz, die mal mehr, mal weniger seriös wirken. Die günstigsten Preise liegen ungefähr bei 40 Euro, es gibt aber auch Angebote mit „sehr hochwertigem Kostüm” und verschiedenen Zusatzleistungen für mehr als 200 Euro. Preisaufschläge gibt es unter anderem für die Qualität des Kostüms, Jutesäckchen oder Socken mit Nüssen und Schokolade. Auch Begleitung in Form von Knecht Ruprecht, Christkind oder Engeln kann dazugebucht werden.

Der Weihnachtsmann heißt Manuel Hitz

Ein ganz besonderer Nikolausdarsteller - oder besser gesagt Weihnachtsmanndarsteller - ist Manuel Hitz. Schon seit 25 Jahren spielt er den Weihnachtsmann. Er kann zwar auch für den Nikolaus gebucht werden, betont aber, dass er seine Rolle ohne religiöse Komponente spielt und sich daher mehr am Weihnachtsmann orientiert. Er sagt: „Weihnachten ist für mich ein magisches Fest und ich möchte damit Kindern aus aller Welt – egal ob Hindu, Moslem oder Christ – eine Freude bereiten und dies nicht unter einen religiösen Schatten stellen.”

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Der 43-Jährige liebt es, anderen eine Freude zu machen, gerade Kindern. Damit die Illusion perfekt ist, hat er sehr viel Wert auf sein Kostüm gelegt. Auf der Haut trägt er ein Funktionsshirt. Darüber ein Mesh-Shirt, das für Luftzirkulation sorgt und dafür, dass die Kühlweste nicht direkt auf der Haut liegt. Die kommt nämlich als nächste Schicht. Darüber trägt der Diplom-Ingenieur einen Fat Suit, da er selbst eher von schlanker Statur ist. Es folgt ein helles Hemd, wie man es auf Mittelaltermärkten oft sieht, und zum krönenden Abschluss das eigentliche Kostüm. Dieses ist maßgeschneidert und wurde aus den USA importiert. „Hier in Deutschland gibt es sowas nicht”, erklärt Hitz. Dazu kommt noch ein handgefertigter breiter Ledergürtel und beim Schuster umgestaltete Motorradstiefel.

Und damit noch nicht genug. Auf dem Kopf trägt dieser Weihnachtsmann eine Echthaarperücke sowie einen Vollbart aus Yak-Haar. Der Schnauzer ist ebenfalls aus Yak-Haar, wird jedoch angeklebt. Dadurch hat der Schnurrbart einen sicheren Halt und der 43-Jährige kann reden, ohne dass etwas verrutscht. Auf der Nase sitzt eine goldene Nickelbrille und an den Händen trägt er lange weiße Baumwollhandschuhe. Von denen hat er immer mehrere Paare dabei, falls eines mal dreckig wird. So etwas geht gar nicht! Außerdem hat er eine Messingglocke und ein uraltes Buch dabei, aus dem er seine Informationen liest.

Manuel Hitz spielt jedes Jahr den Weihnachtsmann. Für ihn ist das ein ganz besonderes Hobby. Mit viel Liebe zum Detail hat er sein eigenes Kostüm kreiert, um möglichst authentisch zu wirken.
Manuel Hitz spielt jedes Jahr den Weihnachtsmann. Für ihn ist das ein ganz besonderes Hobby. Mit viel Liebe zum Detail hat er sein eigenes Kostüm kreiert, um möglichst authentisch zu wirken. (© Manuela Falk)

Das alles ist nicht ganz billig. Alleine der Schnauzer kostet laut Hitz 60 bis 70 Euro, der allerdings nur drei bis vier Mal angeklebt werden kann. „Ein gutes Weihnachtsmannkostüm hierzulande kostet 200 bis 400 Euro”, erklärt der 43-Jährige. „Bei meinem Kostüm können Sie nochmal eine Null dranhängen.” Deswegen sind seine Auftritte auch teurer als die, die auf den meisten Online-Portalen gebucht werden können. Hinzu kommen Zubuchungen wie der Thronsessel oder die Schatzkiste. Deswegen bietet er seine Dienste seit 2014 nur noch für Unternehmen an.

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Perfektion statt Profit

Der Aufwand für seine Inszenierung ist riesig und anstrengend. Bei längeren Auftritten macht er erst nach 3,5 Stunden eine Pause. Dann macht er sich frisch, isst eine Kleinigkeit oder trinkt einen Schluck. Aber nicht viel, damit er nicht auf’s Klo muss. „Sich aus dem Kostüm wieder herauszuschälen, ist gar nicht so einfach. Deswegen vermeide ich das.” Aufgebaut wird bei größeren Auftritten schon einen Tag vorher. Im Jahr nimmt Hitz zudem auch nur drei bis vier Aufträge an. Der Ingenieur gibt offen zu: „Geld verdiene ich damit nicht. Auch wenn seine Preise höher sind als anderswo, rentieren sich die Auftritte nur bedingt. Darum geht es ihm aber auch nicht. Für ihn ist das alles mehr ein schönes und ganz besonderes Hobby, „meine Leidenschaft.”

Den handgemachten breiten Ledergürtel ziert eine große goldene Schnalle.
Die Weihnachtsmannstiefel waren ursprünglich mal Biker-Stiefel. Manuel Hitz hat sie zum Schuster gebracht, einen breiten Lederriemen und eine antike Schnalle anbringen lassen.
Das Buch vom Weihnachtsmann hat einen Goldschnitt und ist schon 130 Jahre alt. Im Buch sind Fotoecken, sodass Manuel Hitz Blätter mit Notizen mühelos einfügen und wieder herausnehmen kann.
Wenn das Komplettpaket gebucht wird, bringt Manuel Hitz auch den Sessel vom Weihnachtsmann mit.
Die Truhe gehört auch mit zum Komplettpaket. Auf Wunsch wird sie ebenfalls von Manuel Hitz befüllt.

„Ich habe schon immer gerne Geschenke gemacht”, erklärt der Weihnachtsmanndarsteller. „Es heißt „Geben ist seliger denn Nehmen”. Das kann ich nur bejahen. Es ist so ein schönes Gefühl, wenn sich jemand freut.” Und das ist auch die Motivation, warum er die ganze Mühe auf sich nimmt. „Außerdem mag ich Kinder sehr und die Kinder mögen mich. Vielleicht weil ich selbst Kind geblieben bin.”

Früher, als er noch private Aufträge angenommen hat, hat er extra immer ein Stück weiter weg geparkt und ist zu Fuß gekommen, damit die Illusion nicht zerstört wird. Außerdem hatte er immer ein paar Kleinigkeiten in den Taschen, falls ihm auf der Straße ein Kind begegnete. Und er lässt sich Zeit. „Bei meinen Besuchen möchte ich ein Gefühl von Ruhe reinbringen”, sagt er. Bei online gebuchten Nikoläusen sei das nicht immer der Fall. Er sei zwar nicht mit anderen Darstellern vernetzt, doch auf seinen Touren seien ihm immer mal wieder andere begegnet und er habe es so wahrgenommen. Deswegen nimmt Hitz auch Abstand von Agenturen und hat seine eigene Seite, therealsanta.de.

Hitz ist schon lange im Geschäft. Seit er 18 Jahre alt ist, macht spielt er den Weihnachtsmann, um anderen eine Freude zu bereiten. „Angefangen habe ich damals auch mit einem einfachen Filz-Kostüm”, erinnert er sich. Von Gießen bis Alsfeld ist er jährlich seine Strecke abgefahren, um anderen den Weihnachtszauber zu bringen. Nach und nach hat er dann auch Aufträge von anderen Privatpersonen angenommen, die auf der Strecke lagen. „Ich habe mich dann immer mehr reingesteigert und auch mein Kostüm von Jahr zu Jahr perfektioniert. Irgendwann wurde der Aufwand so groß, dass ich meine Dienste nur noch für Unternehmen anbieten wollte”, erklärt der Diplom-Ingenieur, der einräumt, auch Perfektionist zu sein.

In all den Jahren hat er schon viel erlebt. Einmal hat sein Bart während seines Auftrittes nicht mehr gehalten. Der Kleber war schon zu alt. Er versuchte dann den ganzen Tag den Kopf möglichst hoch zu halten und wenig zu reden. Ein prägendes Erlebnis: „Seitdem habe ich immer drei Tuben dabei”, erklärt er lachend. Ein anderes Mal hatte der Chef eines Großhandels am Nikolaustag explizit den Weihnachtsmann bestellt. Auch als Hitz ihm den Unterschied erklärte, wollte er weiterhin den Weihnachtsmann. Am Tag des Auftrittes selbst wurde alle halbe Stunde als Unterhaltungsprogramm durch die Lautsprecher der Unterschied zwischen Weihnachtsmann und Nikolaus erklärt. „Das fand ich sehr lustig”, resümiert Hitz.

Und dann sind da natürlich noch die Kinder selbst. „Kinder stellen vieeele Fragen”, weiß der Weihnachtsmanndarsteller. Einmal wurde der Ingenieur, der auch im Vertrieb arbeitet, gefragt, ob er Strom am Nordpol habe. Hitze meinte dann, natürlich, er habe einen Weg gefunden, Energie aus Polarlichtern abzufangen, die ja eigentlich aus Sonnenenergie bestehen. Eine besonders beliebte Frage ist natürlich, wie der Weihnachtsmann es schafft, in einer Nacht alle Geschenke zu verteilen. Standardmäßig erläutert er dann, dass es ein Mix aus Zeitverschiebung und hoher Geschwindigkeit sei. „Man muss als guter Weihnachtsmann vieeel improvisieren können”, erklärt Hitz lachend. „Ich sage mir dann immer, wenn ich das bei den Kindern immer wieder schaffe, dann schaffe ich das im Vertrieb erst recht.”

Woher die Motvation kam, selbst Weihnachtsmann zu werden, weiß Hitz selbst nicht so genau. Vielleicht liege es daran, dass er in seiner Kindheit mit seiner Mutter und seinem Stiefvater mal für zwei Jahre in den USA gewohnt habe. „Wir sind dann während der Weihnachtszeit durch die Reichenviertel gefahren. Da hatte quasi jeder Vorgarten einen eigenen Weihnachtsmann, der Geschenke an die Kinder verteilte. Das fand ich damals schon unglaublich toll”, erinnert sich Hitz. „Möglicherweise bin ich dort mit dem Weihnachtsmannvirus infiziert worden.”