
Gedankengänge auf der Liedzeile: An dieser Stelle schreibt der Poetry-Slammer, Musiker und Autor Lutz Hermann regelmäßig über Musik, heute über Rosenstolz.
„Ich bin ich. Das allein ist meine Schuld.“ (Rosenstolz, 2008) Ausreden gelten nicht. Nicht meine Eltern haben mich zu dem gemacht, der ich bin, nicht die Gesellschaft, nicht die Musik, die ich gehört oder die Bücher, die ich gelesen habe, nicht die Menschen, mit denen ich Zeit verbringe und mein Leben teile. Nein, ich bin ich und das ist allein meine Schuld. Meine Vorurteile und meine Urteile sind meine Schuld, meine Entscheidungen und meine Unterlassungen sind meine Schuld, und meine Taten und meine ganze Art, wie ich mit dem Leben umgehe, sind meine Schuld.
Rosenstolz singt von Schuld und Verantwortung
Wie ich das Leben an mich heranlasse, wie ich mich einigle in meinem Leben und auch, wie ich aus ihm heraustrete, wie ich Grenzen überschreite, wehtue, mir und anderen, wie ich liebe, mich und andere, all das ist allein meine Schuld. Es geht um die Schuld, die wir ansammeln im Leben, indem wir leben. Es geht darum, diese Schuld anzuerkennen und sich für sie verantwortlich zu zeigen.
Verantwortung zu übernehmen für das eigene Leben und für die mit diesem Leben verbundene Schuld. Ich höre so manche Christen am Frühstückstisch beim Lesen dieser Kolumne murmeln: „Für genau diese Schuld ist der Herr Jesus doch gestorben.“ Mag sein und es ist schön, wenn es so ist. Ich frage mich aber, welche Konsequenzen das hat.
Mir schwebt ein anderer Satz vor. Er stammt von dem tschechischen Dichter Jan Skácel und ich habe ihn in dem Buch „Wie wir begehren“ von Carolin Emcke gefunden: „Und folgt die Strafe nicht auf den Fuß, musst du die Schuld ableben durchs Leben.“ Emcke spricht dann davon, dass sich Schuld nicht abtragen ließe wie Kohle oder Erz, sondern nur ableben lässt im Leben. Durch das, was ich jeden Tag mache. Wie ich mein Leben lebe. Denn dafür bin ich verantwortlich. „Ich bin jetzt! Ich bin hier! Ich bin ich!“