Zwei Seminartage und weit über 100 Weine liegen schon hinter den Teilnehmern, der Duft frisch eingegossenen Schaumweins perlt in die Nase. Und doch ist es mucksmäuschenstill...
FLÖRSHEIM-DALSHEIM. Zwei Seminartage und weit über 100 Weine liegen schon hinter den Teilnehmern, der Duft frisch eingegossenen Schaumweins perlt in die Nase. Und doch ist es mucksmäuschenstill während Volker Raumlands Vortrag. Die letzte „Session“, die beim zweiten rheinhessischen „Vinocamp“ ansteht, gehört dem Sekt-Spitzenproduzenten aus Flörsheim-Dalsheim – und die ungeteilte Aufmerksamkeit ist ihm gewiss.
Traubenlese am optimalen Reifepunkt
Frühe Lese der eigentlich späten Sorten, maximal elf Volumenprozent Alkohol als Ziel, keine vollreifen, sondern am optimalen Reifepunkt geerntete Trauben, Handlese in 15-Kilo-Kisten auf den gesamten zehn Hektar, Ganztraubenpressung ohne Einmaischen – es ist hoch spannend, wie aus rheinhessischen und pfälzischen Burgundertrauben der vielfach preisgekrönte Raumland-Sekt wird. Wie sich mittels biologischer Gärung Apfel- zu weicher schmeckenden Milchsäuren wandeln. Wie die teilweise in den 1970er Jahren gepflanzten Reben tief unter der Erde nach der immer rareren Feuchtigkeit graben. Wie sich 850 000 Flaschen auf die Lagerflächen im Hause Raumland verteilen. Und wie das mal drei, mal zehn Jahre auf der Flasche vergorene Endprodukt schmeckt.
„Wir trinken unseren Schaumwein nicht aus Sektkelchen, sondern aus sehr großen Gläsern mit einer sehr dünnen Glaswand“, erzählt Volker Raumland, „so kommt der Sekt elegant auf die Zunge.“ Das richtige Glasgefäß zu finden, war ein weiteres Thema bei der dreitägigen Veranstaltung, zu der sich Winzer, Fachjournalisten, Weinprofis und „Wein-gerne-Trinker“ in Flörsheim-Dalsheim versammelten. Wann dekantiert, wann karaffiert man? Die Karaffe dient dem Belüften des Weins, das langsame Dekantieren hat den Zweck, den – vor allem älteren – Wein vom bitter schmeckenden Bodensatz zu trennen. Karaffen mit breitem, flachem Boden – auch Capitaine genannt – geben viel Sauerstoff und eignen sich eher für jüngere Weine, die schmaleren, langhalsigen Gefäße belüften den Wein behutsam. Manch junger Roter komme im kleinen, schmalen Gläschen „wie in einer Zwangsjacke“ daher, erzählt die Vinocamp-Organisatorin Marion Rockstroh-Kruft. Anderen Teilnehmern verliert der Wein im großformatigen Burgunderglas zu viel Aroma. Zur Fachkunde kommt die Geschmackssache.
Logisch, dass da auch abseits der größtenteils spontan geplanten „Sessions“ eine Menge Gesprächsbedarf besteht. Schon bei der gemütlichen Zusammenkunft etwa der Hälfte der Teilnehmer am Freitagabend, erst im Weingut Göhring, dann, nach einem Ortsrundgang, im Hause Schmitt, steht die Geselligkeit im Mittelpunkt. Am Samstagabend ist es längst Sonntag, als die Teilnehmer ins Bett gehen. 124 verkostete Weine allein am Samstag hat Rockstroh-Kruft gezählt. In den Weingütern Christmann, Beyer-Bähr, Köth, Peth, Engel und Scherner-Kleinhanß steht ganz allgemein das Thema Neuerungen auf dem Programm. Eine solche sind weiterhin die Orange-Weine. „Weißweine, die wie Rotweine hergestellt werden“, erläutert der Journalist Joachim Kaiser, der das deutsche „Vinocamp“ organisiert.
Mittlerweile gibt es auch Ableger an der Mosel und in Franken sowie seit zwei Jahren in Rheinhessen. Die zwar akkurat vorbereitete, aber letztlich spontan selbstorganisierte Methodik greift. Wein macht eben kreativ. So kommen auch spontan Foto- und Social-Media-Workshops mit auf die Agenda. Beim „Speed Dating“ preist ein Dutzend rheinhessischer Winzer in Vier-Minuten-Gesprächen seine Produkte an. Und beim Thema Schokolade und Wein stellt sich heraus, dass Marzipankartoffeln und trockener Gewürztraminer herrlich harmonieren können. Proben von Secco sowie Käse und Wein kommen hinzu, für Weininteressierte kommt keine Langeweile auf.