Beim TC Atlantis Gimbsheim haben sich zwölf Mitglieder zu...

Beim TC Atlantis Gimbsheim haben sich zwölf Mitglieder zu Naturschutztauchern ausbilden lassen. Nun helfen sie dabei, die Renaturierung des Pfarrwiesensees zu überwachen.

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GIMBSHEIM. Auf dem Parkplatz am Pfarrwiesensee steht eine Reihe Autos. Neoprenanzüge und Atemregler blitzen aus den Kofferräumen, Pressluftflaschen sind an die Autotür gelehnt. Während sich die ersten Taucher bei 35 Grad in die dicken Tauchanzüge zwängen, rollt ein Kontrolleur des Ordnungsamts in seinem Auto den Schotterweg entlang. „Wir sind zum Naturschutztauchen hier“, ruft Christian Paruzynski und deutet in den offenen Kofferraum. Der Mitarbeiter wirft einen Blick hinein, kontrolliert die Erlaubnisscheine in den Windschutzscheiben, nickt zufrieden. Obwohl die Mitglieder des Tauchclubs Atlantis Gimbsheim sich dort aufhalten dürfen, war die Kontrolle angebracht. „Es hätte ja auch jemand sein können, der hier nicht hingehört.“ Die Naturschutztaucher befinden sich an einer Stelle am See, die für die Öffentlichkeit nicht frei zugänglich ist. Wandern, schwimmen, spazieren – streng verboten. Am Pfarrwiesensee sind die Taucher in besonderer Mission unterwegs. Zwölf Vereinsmitglieder haben sich im Juni zu Naturschutztauchern ausbilden lassen, haben von einem Gewässerökologen gelernt, wie man Pflanzen- und Tierwelt am und im Wasser bestimmt, welche Pflanzen heimisch sind, und welche nicht in unsere Seen gehören. Ziel des Kurses: die Anfertigung eines umfassenden Gewässerreports. In Rheinland-Pfalz sind sie die ersten, die diese Ausbildung gemacht haben – in ganz Deutschland gibt es nur etwa 300 ihrer Art. Seltene Experten mit wichtiger Aufgabe. Mit ihrem Wissen rund um die Pflanzen- und Tierwelt am und im Wasser begleiten sie die Renaturierung des Pfarrwiesensees.

Für die Taucher ist der Naturschutz kein Neuland. „Wir haben uns in den 30 Jahren seit der Vereinsgründung immer um den Zustand unserer Tauchseen gekümmert“, sagt Christian Paruzynski. „Früher sind wir regelmäßig mit Tüten losgeschwommen und haben in der Uferzone Müll eingesammelt. Was wir jetzt vorhaben, ist ein wenig umfangreicher.“ Die Atlantis-Taucher sind dem „Verband Deutscher Sporttaucher“ (VDST) angegliedert – und der kooperiert mit dem Naturschutzbund. Deutschlandweit lässt der Nabu Gewässer durch Taucher überwachen.

Der Pfarrwiesensee, eine ehemalige Kiesgrube, ist für alle Beteiligten interessant. „Die Bagger sind noch nicht lange weg, der See fängt gerade erst an, sich zu erholen“, erklärt Vereinsmitglied Dirk Balzer. Er war es, der über einen Artikel in der Verbandszeitschrift des VDST aufs Naturschutztauchen aufmerksam wurde, sich beim Nabu erkundigte. „Wir gehen gerne und professionell ins Wasser – und der Nabu hat Interesse daran, den Zustand der Seen zu überwachen“, sagt der Taucher. „Das war einfach die perfekte Symbiose.“

Für die Mitglieder des TC Atlantis heißt es ab jetzt, während ihrer üblichen Tauchgänge am Mittwochabend am gemeinsamen Plan zu feilen. Zu tun gibt es da eine ganze Menge: Planzen- und Tierwelt wollen über Jahre beobachtet, die Bestände und Vorkommen auf Reportkarten für den Umweltverband festgehalten werden. Dirk Balzer will zusätzlich ein Herbarium anlegen, dokumentieren, was im See wo grünt und blüht. Und das tut es in der Tat. „Unter Wasser steht jetzt alles in voller Pracht. Der Hahnenfuß blüht, Wasserpest und Laichkraut fühlen sich wohl“, sagt Armin Küfner. „Jetzt ist die schönste Jahreszeit zum Tauchen.“ Das Vorstandsmitglied geht heute nicht ins Wasser, dafür stehen Mirijam Kellner, Christiane Koitka, Stefan Neeser und Friedhelm Lazina schon bereit, sind gespannt, was der Tauchgang bringt. Während sie mit den schweren Pressluftflaschen auf dem Rücken und Schwimmflossen an den Füßen in Richtung Ufer laufen, kniet Dirk Balzer mit seiner Pflanzenpresse bereits am Wasser. Er hat eine Armleuchteralge aus dem Wasser geholt. Um die zu pressen, muss er sie noch im Wasser auf ein wasserfestes Blatt Papier legen und schauen, dass sich die Struktur der Alge ausbreitet. Sonst würde sie wie ein Pinsel zusammenklumpen. Dann wird das Wasser vorsichtig abgeschöpft, die Presse zugeschraubt. „Unter Wasser hängen die einzelnen Ästchen ja zusammen. Gar nicht so einfach, aber ich werde das perfektionieren.“ Über die Armleuchteralgen im See freuen sich alle. „Die sind lebensraumtypisch und wachsen unter Wasser in einer schönen Wiese“, sagt Dirk Balzer. „Genau so soll es sein. Wir haben hier schon einen Bedeckungsgrad von über 50 Prozent.“

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Die Taucher sind mittlerweile am Ufer angekommen, waten mit langsamen Schritten ins Wasser. „Es ist wichtig, dass wir den Grund nicht allzu sehr aufwirbeln“, erklärt Christian Paruzynski. „Sonst ist die Sicht schlecht. Die Schwebeteilchen brauchen eine ganze Weile, bis sie sich wieder abgesetzt haben.“

Damit sie bei ihrem Tauchgang gut sehen können, nutzen die Taucher eine bestimmte Technik, bewegen sich immer genau so fort, dass sie den Boden nicht berühren. „Tarieren“ nennt man das. Und tatsächlich, der Gang ins Wasser ist langsam. Hier springt niemand von der Sandbank ins kühle Nass. Beim Eintauchen geben die Atemregler ein dumpfes Keuchen von sich. Wie Darth Vader. Ein paar Luftblasen, dann sind die Taucher nicht mehr zu sehen. „Durch die Tariertechnik schweben sie jetzt vermutlich unter der Oberfläche“, sagt Christian Paruzynski.

So viel Einsatz für eine Kiesgrube. Ist die denn überhaupt schützenswert? „Darauf hat der Nabu eine ganz klare Antwort“, sagt Dirk Balzer. „Es völlig egal, ob wir es mit einem künstlichen oder einem natürlichen Gewässer zu tun haben. Auch eine Kiesgrube ist ein vollwertiger See, mit einer Flora und Fauna, die sich genauso entfalten kann wie in jedem natürlichen Gewässer.“

Wert und Daseinsberechtigung hat der See also. Dennoch, ein zeitintensives Hobby haben sich die Taucher da ausgesucht. Warum sie die Mühe auf sich nehmen? „Die Gimbsheimer Seen gehören für mich schon immer dazu“, sagt Christian Paruzynski. „Es liegt mir am Herzen, dass hier alles in Ordnung ist. Deshalb ist der neue Vereinszweig auch so wichtig.“ Auch Dirk Balzer hat eine klare Antwort: „Ein See ist wie ein botanischer Garten unter Wasser“, sagt er. „Die Schönheit der Unterwasserwelt treibt mich an.“ Schützenswert sei der See, sagt Mirijam Kellner, als sie aus dem Wasser kommt und sich erst einmal schüttelt. „Ganz schön kalt da unten.“ Und der Tauchgang? „Der war nicht so erfolgreich, die Sicht maximal einen Meter weit. Das liegt wahrscheinlich daran, dass es gestern geregnet hat. Auch dabei werden im Wasser Schwebeteilchen aufgewirbelt.“ Aber auch solche Tage müsse es geben – nicht jeder Tauchgang kann ein Feuerwerk für die Sinne sein. Den Mitgliedern des TC Atlantis stehen noch viele Abenteuer unter Wasser bevor – nun auch im Zeichen des Naturschutzes. Während sich das Vierergespann aus den Anzügen pellt, juckt es Christian Paruzynski schon in den Fingern. Für den Vorsitzenden steht bald ein Jubiläum an. „Noch zehn Tauchgänge, dann habe ich die Tausend voll.“ Ob das in diesem Jahr noch etwas wird? „Hoffentlich. Einige Naturschutztauchgänge stehen auf jeden Fall noch an.“