
Der Lernkoffer mit Materialien für Projekttage und Unterricht soll für den bewussten Umgang mit Ressourcen sensibilisieren und kann ab sofort von Grundschulen ausgeliehen werden.
Gau-Odernheim. Weil er gelernt hat, dass ein Nachtlicht in der Steckdose ziemlich viel Energie verbraucht, hat Meru seine Eltern gebeten, in Zukunft den Rollladen nicht ganz herunterzulassen. „Sonnenlicht ist sowieso viel schöner“, sagt der Achtjährige. Und die neunjährige Ava erinnert neuerdings immer mal ihre Schwester daran, das Licht auszuschalten. „Ich denke, sie vergisst es einfach“, erzählt sie. An der Grundschule in Gau-Odernheim haben die beiden vor den Sommerferien einen Führerschein der ungewöhnlichen Sorte abgelegt – den „Energiesparführerschein“. Was es dazu brauchte? Einen Koffer voller Lernmaterialien, ein bisschen Hilfe von „Professor Energenius“ und eine Lehrerin, die mit Feuereifer dabei ist, wenn es darum geht, ihren Schützlingen Raum zum Lernen zu geben.
Energiesparen als moralische Verantwortung
Entwickelt wurde das Konzept des Energiesparführerscheins vom EWR. Was im ersten Moment für Stirnrunzeln sorgt – warum sollte ausgerechnet ein Energieversorger wollen, dass man an seinem Kerngeschäft spart – sieht das Unternehmen als moralische Verantwortung. Vorstandssprecher Stephan Wilhelm erklärt es so: Damit die Energiewende gelingt, Energieversorgung generationenverträglich ist, müsse zweierlei umgesetzt werden. Der Umstieg auf erneuerbare Energieformen – und das Sparen eben. Schließlich sei das, was gar nicht erst verbraucht werde, letzten Endes am nachhaltigsten.
Und genau dazu müsse man alle ins Boot holen – gerade die Jüngsten, davon ist man beim Energieversorger überzeugt. Die Entwicklung des Lernkoffers sei dabei völliges Neuland gewesen, wie Pressesprecher Dominik Nagel erklärt. Weil man diesen Weg auf keinen Fall alleine beschreiten wollte, der Lernkoffer didaktisch wertvoll und gleichzeitig spielerisch sein sollte, habe man sich die pädagogische Expertise ins Boot geholt, die Materialien in einer Pilotphase an drei Grundschulen getestet.
Aber was ist eigentlich drin im Koffer? Bei Fragen hilft erst einmal eine Stromsparfibel: Was ist Strom? Wie wird er hergestellt? Wie kommt er zu uns nach Hause und wo verstecken sich im Alltag richtig fiese Stromfresser? Meru und Ava wissen das natürlich. „Das Handy sollte man immer vollladen, bevor man es wieder nutzt“, rät der Viertklässler. „Nicht nutzen, wenn es noch an der Steckdose hängt.“ Daneben verstecken sich im Koffer Dinge, die zum Erleben einladen: ein Dynamo zum Selbstbasteln, ein Memory-Spiel, ein Wimmelbild, ein Stromspar-Lied. Und den Führerschein, den Ava, Meru und die anderen Projekttag-Kinder nun ihr Eigen nennen können.
Und der verpflichtet: Ava und Meru achten nun nicht nur auf den eigenen Verbrauch – bei Fragen helfen sie gerne weiter. Meru hat beim Projekttag sogar Professor Energenius noch etwas beibringen können. Von „Positronen“ habe er ihm erzählt. Aber was das nun wieder ist? Da müssen auch die Erwachsenen beim Pressetermin einen Moment nachdenken, ist also gar nicht peinlich für den Professor.
Genau so müsse es doch sein, erzählt Lehrerin Anne May: „Die Kinder haben alle ihre Stärken und Potenziale. Man muss ihnen den Raum geben, sie zu entfalten.“ In Gau-Odernheim – die Grundschule ist Teil der Initiative „Schule der Zukunft“ – sagt sie zu solchen Projekten deshalb immer gerne „Ja“.
Ein Professor als Maskottchen
Zurück zum Energiesparführerschein: Die Teilnahme am Projekt ist kostenfrei, ausgegeben wird der Koffer über einen festgelegten Zeitraum. Damit er ohne große Hürden genutzt werden kann, wird er gebracht und abgeholt. Allerdings nicht von Professor Energenius. Der ist in Wirklichkeit vielmehr Symbolfigur und Maskottchen als Energiespar-Erklärer aus Fleisch und Blut. Nur an den Pilotschulen hat er sich dann ausnahmsweise gezeigt.
Wie’s für das Projekt weitergeht? Ob man an den Schulen künftig im Nachgang vielleicht sogar kleine Energiespar-Experten ausbildet, die ihrem Umfeld etwas beibringen – oder auch mal die Erwachsenen wachrütteln, vielleicht sogar den einen oder anderen Politiker – ein Wunsch, so EWR-Vorstandssprecher Wilhelm, wäre es. Nun soll der Lernkoffer aber erst einmal von der Testphase in den täglichen Gebrauch übergehen.