
Zwei Brände und ein Gefahrstoffaustritt in drei Verbandsgemeinden. Das ist das Szenario für eine der größten Übungen in Rheinland-Pfalz. 42 Stunden sind Ende September angesetzt.
Alzey-Worms. Eine große Fläche am Altrhein steht in Flammen. In einem Unternehmen in Osthofen ist eine große Menge eines Gefahrstoffes ausgetreten. Und parallel dazu wird ein Großbrand in einem Industriebetrieb in der VG Monsheim gemeldet. Jedes Ereignis für sich wäre eine Großschadenslage, wie das in der Feuerwehrsprache heißt. Was mehr als 1.000 Einsatzkräfte vom 22. bis zum 24. September im Landkreis trainieren, ist eine der größten Übungen, die es in Rheinland-Pfalz je gegeben hat. Auf jeden Fall aber die größte seit der Flutkatastrophe im Ahrtal.
„Meliorem“, lateinisch für „sich verbessern“
„Meliorem“, lateinisch für „sich verbessern“, heißt der Arbeitstitel des Projekts, das seit Januar geplant wird. Auch wenn sich Alzey-Worms im Brand- und Katastrophenschutz seit mehr als zehn Jahren kontinuierlich weiterentwickelt hat – es gibt nichts, was nicht noch verbessert werden könnte, glaubt Brand- und Katastrophenschutzinspekteur Michael Matthes. Er war es, der nach mehreren Vorträgen bei der Enquetekommission des Landtages die Idee entwickelt hat.
Denn selbst in der Führungsausbildung an der Feuerwehrakademie wird maximal neun Stunden mit 150 bis 300 Einsatzkräften trainiert. Doch gerade die Ereignisse im Ahrtal haben gezeigt, dass es Schadenslagen gibt, die jedes bislang gekannte Ausmaß übersteigen. Klar ist: „Die Übung wird zu einer extremen Überlastungssituation führen“, sagt Michael Ehresmann von der Berufsfeuerwehr Mainz, der sich zudem ehrenamtlich in der Presse- und Medienarbeit engagiert. „Wir simulieren eine Herausforderung, die jemand einmal in seinem Feuerwehrleben erlebt. Wenn überhaupt.“
Doch genau das ist das Ziel: zu testen, was passiert, wenn ein oder mehrere Ereignisse die vorgegebenen, die lange eingeübten Strukturen übersteigen. Das gilt für die Meldewege, die technischen und taktischen Abläufe, aber auch für die Dauer eines Einsatzes, wenn Kräfte abgelöst werden müssen. Und was, wenn wie jüngst bei den Waldbränden in Südeuropa oder Nordamerika Einsatzkräfte selbst von einer Schadenslage betroffen sind?
Noch nie in dieser Dimension geübt
Auch der Verwaltungsstab der Kreisverwaltung, der dann weitergehende Anordnungen koordinieren müsste – etwa Betretungsverbote aussprechen oder Betreuungsplätze für die Kinder betroffener Einsatzkräfte organisieren – muss sich für ein solches Ereignis aufstellen. „Wir haben das noch nie geübt“, sagt Elisabeth Bieser, Leiterin der Abteilung Ordnung und Verkehr, bei der auch der Katastrophenschutz angesiedelt ist. „Wir landen im eiskalten Wasser.“
Ein Landkreis allein wäre mit einem solchen Großeinsatz überfordert – er wäre es auch mit der Mega-Übung. Außer Alzey-Worms sind zwölf weitere Landkreise von Altenkirchen bis Germersheim beteiligt, dazu mehrere kreisfreie Städte. „Durch ganz Rheinland-Pfalz fährt Blaulicht“, so formuliert es Michael Ehresmann. 300 bis 350 Fahrzeuge dürften es sein. Sechs von acht Leitstellenbereichen im Land sind involviert.
Mit dabei sind neben freiwilligen und Berufsfeuerwehren mehrere Werksfeuerwehren, acht Verbände des Technischen Hilfswerks mit verschiedenen Spezialgebieten, die Bundeswehr sowie Polizei, Landesbetrieb Mobilität oder die für den Digitalfunk zuständige Landesbehörde. Selbst die Werkleitung in dem Osthofener Unternehmen, in dem der Gefahrstoffaustritt simuliert wird, stellt sich auf das Ereignis ein.
Bereitstellungsräume für den Krisenfall
In den vergangenen Jahren hat der Kreis sechs bis acht mögliche Bereitstellungsräume getestet, die im Krisenfall als Einsatzzentrale geeignet sind: verkehrsgünstig gelegen, mit passender Infrastruktur sowie ausreichend Parkplätzen oder Einkaufsmöglichkeiten in der Nachbarschaft. Drei davon werden am Übungswochenende eingerichtet, darunter die Wonnegauhalle in Osthofen. Auch die neue Rheinhessenhalle in Monsheim wird eine wichtige Rolle spielen.
Neben Kommunikation, technischen und taktischen Abläufen werden auch besondere Herausforderungen getestet. So wird an einem der drei Schauplätze mit Spezialgeräten anderer Einheiten im Land eine Wasserversorgung über 2,5 Kilometer sichergestellt. Außerdem kommt erstmals eine sogenannte Teleskop-Bühne zum Einsatz, die im Gegensatz zu einer „normalen“ Drehleiter 60 statt 20 Meter Höhe erreicht. Oder ein Turbogerät, das Nebel zum Löschen erzeugt. „Das ist wie eine Schneekanone, nur für Wasser“, sagt Michael Ehresmann. „Wir wollen auch Dinge testen, die in anderen Übungen nicht vorgegeben sind.“
Die Bevölkerung wird all das mitbekommen. Es könnte an den drei Tagen Einschränkungen, etwa in der Nähe der Einsatzorte geben. Aber niemand wird – wie möglicherweise im Ernstfall – aufgefordert, im Haus zu bleiben. 55.000 Euro soll die Großübung kosten, sagt Elisabeth Bieser, ein Zuschuss beim Land sei beantragt. Für Landrat Heiko Sippel (SPD) ist das gut angelegtes Geld, er sieht die Übung als große Chance. Deren Resultate dürften landes- und bundesweit relevant sein.