Der Spielplan des Wiesbadener Staatstheaters orientierte sich nicht nur im Schauspiel an großen Themen unserer Zeit
Von Birgitta Lamparth und Volker Milch
Starke Bilder aus der Spielzeit des Hessischen Staatstheaters (von links oben im Uhrzeigersinn): „Die Möwe“, „Antigone“, „Schönerland“, „Unterwerfung“, „Jephtha“ und „Eine Winterreise“. Fotos: Karl & Monika Forster/Regina Brocke („Eine Winterreise“)
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WIESBADEN - Diesen Samstag noch – in allen drei Spielstätten: Großes und Kleines Haus und Studio. Dann ist es für die über 600 Beschäftigten am Staatstheater für diese Spielzeit geschafft. Eine Spielzeit, in der es mit einer Fülle von Premieren ein breites Angebot für Theaterfreunde aus der ganzen Region gab.
Und dass diese auch aus Mainz gerne nach Wiesbaden kommen, hat die Umfrage unter den Zuschauern zu Anfang der Spielzeit ergeben: Gemeinsam mit der Hochschule Rhein-Main waren online und vor Ort Zuschauer nach ihren Vorlieben befragt worden. Darunter waren etliche, die die 14 neuen Inszenierungen allein im Schauspiel im Kleinen Haus und in der Wartburg goutierten. Dabei orientierte sich die Stückauswahl an den großen Themen unserer Zeit. So wurde mit der Uraufführung von Ihsan Othmanns „Wir werden unter Regen warten“ sehr eindringlich das Schicksal von Menschen auf der Flucht thematisiert, und auch die bravouröse One-Man-Show von Tom Gerber in der packenden Bühnenfassung von Michel Houellebecqs „Unterwerfung“ zeigte sich in der Regie des Intendanten Uwe Eric Laufenberg als Stück der Stunde.
Lessings „Nathan“ in einem bestürzenden Kriegsszenario
Auch der „Nathan“ wurde in der Lesart von Nicolas Brieger hochaktuell: Mitten hinein in ein bestürzendes Kriegsszenario. Eine Punktlandung auch Düffels „Römische Trilogie“ in der Regie von Beka Savic mit über weite Strecken fesselndem Politpoker – genau zum Zeitpunkt der chaotischen Regierungsbildung in Berlin. Und mit lokaler Aktualität: Die herausragende Inszenierung von Tschechows „Möwe“, von Regisseur Ingo Kerkhof in ein riesiges Wasserbecken versetzt – und das just nach dem Sprinkler-Desaster im neuen Rhein-Main-Congress-Center. Lupenreines, zeitloses Sprechtheater: „Die Antigone des Sophokles“, die Altmeister Manfred Karge ins Kleine Haus brachte. Ein Klassiker der Komödie: Die glänzend besetzte Komödie „Arsen und Spitzenhäubchen“ in der Regie von Ulrike Arnold. Bei diesen Stücken freut man sich auf eine Wiederaufnahme.
Starke Bilder aus der Spielzeit des Hessischen Staatstheaters (von links oben im Uhrzeigersinn): „Die Möwe“, „Antigone“, „Schönerland“, „Unterwerfung“, „Jephtha“ und „Eine Winterreise“. Fotos: Karl & Monika Forster/Regina Brocke („Eine Winterreise“) Foto:
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Auf die kann man sich auch im Fall von Mozarts „Don Giovanni“ in Nicolas Briegers Inszenierung und mit Konrad Junghänel am Pult des Staatsorchesters freuen. Die szenisch und musikalisch mitreißende Produktion in der gelben Bühnenästhetik von Raimund Bauer feierte das Publikum in den letzten Tagen der Spielzeit angemessen. Über Sonderapplaus konnte sich auch der junge Bariton Daniel Carison freuen. Der Preisträger des „German Australian-Opera Grant“, der von nächster Spielzeit an zum Ensemble gehört, sprang als Masetto szenisch und musikalisch sehr überzeugend für Benjamin Russell ein.
Das freute sichtlich auch seine Bühnenpartnerin als Zerlina: Katharina Konradi gehörte mit ihrem warm leuchtenden Sopran auch in dieser Spielzeit zu den Sängerinnen, denen das Publikum Glücksmomente zu verdanken hat. Für ein hohes vokales Niveau sorgten in dieser Saison auch Gaststars wie Maria Bengtsson und Klaus Florian Vogt. Das Erfreulichste in dieser Opernspielzeit war neben dem vokalen Niveau (auch in Massenets „Manon“ und im ambitionierten „Tannhäuser“) die Staatsorchester-Entwicklung unter dem neuen Generalmusikdirektor Patrick Lange.
Starker Beginn mit neuem Generalmusikdirektor
Da hatte der Intendant Uwe Eric Laufenberg, der in Wien auf den jungen Dirigenten aufmerksam geworden war, ganz offensichtlich den richtigen Riecher. Dem Orchester ist die gute Stimmung dieses Neuanfangs anzuhören (und auch anzusehen): Von Mozarts „Zauberflöte“ in einer Kurzfassung für die Jugend, die der GMD zum Spielzeit-Start selbst übernommen hatte, bis zu einer kulinarischen „Arabella“. Unter den Gastdirigenten hat Konrad Junghänel nicht nur mit seinem dynamischen Mozart, sondern auch mit Händels „Jephtha“ in der szenisch höchst originellen Handschrift von Altmeister Achim Freyer begeistert. Und nicht nur im Schauspiel, auch in der Oper gab es ein engagiertes „Stück der Stunde“: Am Puls der Zeit lag das Staatstheater mit dem Auftragswerk „Schönerland“ des Komponisten Søren Nils Eichberg. Im Werk nach Therese Schmidts Libretto geht es um Flucht und den Umgang mit dem Fremden. Ein Thema, das in gewissem Sinn auch im Staatsballett anklingt: Die Sehnsucht, die Unbehaustheit des Wanderers hat Tim Plegge in seinem Handlungsballett „Eine Winterreise“ suggestiv auf die Bühne gebracht. Zum Erfreulichen der Tanzspielzeit gehörte aber auch, dass das Gastspielangebot in Wiesbaden ausgebaut wurde. Wie gut das beim Publikum ankommt, konnte man bei vollem Haus gerade im „Triadischen Ballett“ mit dem Bayerischen Junior Ballett München erleben.
Los geht es wieder am 22. August mit der „Zauberflöte für Kinder“ – wieder mit Patrick Lange am Pult. Und dann beginnt auch schon die Wiesbaden Biennale am 23. August – darauf darf man gespannt sein. Und auf die Spielzeit 2018/19 sowieso.