WIESBADEN - „Schreinerei Fleischmann, Möbel, Türen und Parkette und auch die letzte Ruhestätte. Sie wünschen, wir hobeln.“ Zum ersten Mal traten Alice Hoffmann, besonders bekannt als „s’Hilde“ aus „Familie Heinz Becker“, und Timo Sturm mit Einaktern aus ihrer SWR-Serie im Burggarten Sonnenberg auf. Das Künstlerhaus 43 hatte sie im Rahmen seiner Sommerfestspiele Wiesbaden auf die Bühne geholt, wo sie vor dem „Treibholz-Design“ der „Ronja Räubertochter“-Aufführungen den pfälzischen Handwerksmeister mit dörflichem Betrieb, Jean Fleischmann, und seine Büro-Perle, Vanessa Backes, verkörperten:
Man hätte sich mehr zündende Ideen gewünscht
Er möchte im Ort ein großes Rad drehen, und sie macht als dusseliges Faktotum alle seine Bemühungen wieder zunichte. Erfolgreich ist Backes immer nur dann, wenn es um den eigenen Wunsch geht, die am Chef interessierten Frauen zu vergraulen. Damit bereitete das Duo bei seinem ersten Open-Air-Auftritt den Gästen, deren Zahl trotz idealen Wetters überschaubar war, einen recht unterhaltsamen Abend.
Die 66-jährige Schauspielerin und Komikerin Hoffmann, die übrigens inzwischen „in Rente gegangen ist“, wie der Künstlerhaus 43-Intendant Wolfgang Vielsack verkündete, und Sturm begannen mit einer Telefonschulung der besonderen Art: Diese war – anders als beim jüngsten Workshopbesuch des Schreinermeisters – der Kundenbindung eher abträglich, denn das Bürotrampelchen vermochte den rechten Ton zwischen Computeransage und Callgirl nicht zu treffen. Die folgenden Verwechslungen bei den am selben Tag anstehenden Auslieferungen von Sarg, „Eichenholzfurnier-Pokalsideboard“, und Blumen mit Liebesgrüßen zeichneten sich durch meist ebenso harmlose wie erwartbare Späße aus. „Sie gefällt mir besser als er, bei ihm ist alles so überzeichnet“, flüsterte eine Zuschauerin ihrer Nachbarin einige Minuten nach Vorstellungsbeginn zu.
Tatsächlich spielte Hoffmann ihren Partner bis zur Pause an die Wand, danach wurden auch bei Sturm die Töne leiser und man konnte sich über etwas feinsinnigeren Humor amüsieren. So klärte sich zum Vergnügen des Publikums nach und nach die Frage, warum Fleischmann trotz seiner lückenlosen Bestechungsversuche bei den Jurymitgliedern nicht Unternehmer des Jahres geworden war: Mit Unschuldsmiene schmückte Backes ihre vorausgegangene Unterstützungsmaßnahmen aus: eine Reihe verblüffend kontraproduktiver Aktivitäten.
Doch insgesamt hätte man sich mehr zündende Ideen und weniger Bekanntes gewünscht; auch über die falsch verwendeten Fremdwörter wird seit den Zeiten Hoffmanns als Hilde Becker längst nicht mehr so herzlich gelacht. Da wirkte das Spiel mit der deutschen Sprache sehr viel amüsanter wie etwa in dem Erbschafts-Einakter über das „Bauerweckungsland“.
Während auf der Bühne zum Abschluss der Trauerkranz für die unbekannte Tante gebunden wurde, genoss man als Zuschauer in der Dämmerung noch einmal die wunderbare Kulisse im Burggarten, sah über sich Fledermäuse ihr Abendbrot erfliegen und würdigte den Veranstaltungsort, der allein schon einen Besuch der Sommerfestspiele Wiesbaden wert ist.