Die zweite Premiere der Heppenheimer Festspiele begeistert das Publikum: "Backbeat" erzählt von den frühen Jahren der Beatles. Der Handlungsfaden ist dünn, dafür gibt's viel Musik.
Von Johannes Breckner
Redaktionsleiter Bergsträßer Echo
Yeah, Yeah, Yeah: Delio Malär, Tim Jürgens und Johannes März (von links) in "Backbeat". Foto: Sascha Lotz
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HEPPENHEIM - In ihrer zweiten Hälfte starten die Heppenheimer Festspiele noch einmal richtig durch. Nach dem stimmungsvollen Musikermelodram „Wie im Himmel“ kommt mit „Backbeat“ temporeicher Rock’n’Roll auf die Bühne, und das Publikum geht mit. Am Ende ist der Jubel groß, und ein paar Besucher tanzen auf dem Pflaster des Kurmainzer Amtshofs zu den Zugaben.
Na schön, bei den originalen Beatles wird die Ausgelassenheit größer gewesen sein. Aber die Bühnenfassung des Doku-Dramas von 1994 vermittelt eine Menge von dem Ungestüm, mit dem die Lausbuben aus Liverpool die Clubs in Deutschland und England eroberten. Sie sind nicht mal zwanzig, als sie im Hamburger „Indra“-Club antreten, und das Stück endet nach reichlich über zweieinhalb Stunden da, wo der richtige Erfolg erst beginnt. Deshalb sind überraschend wenige der bekannten Beatles-Songs zu hören. Schade, aber historisch richtig, denn die sollten erst noch geschrieben werden. Dafür bringt die Schauspieler-Band viel Rock’n’Roll über die Rampe, ruppig im Rhythmus, krachig im Sound. Die musikalisch begabten Jungs können aber auch zarte A-cappella-Gesänge anstimmen, und in einer schönen Passage bekommt man auch eine Ahnung davon, wie die Hits entstanden sind. Da singt Paul McCartney zur Gitarre eine ungelenke Fassung von „Love Me Do“, John Lennon treibt dem Song die Sanftheit aus, und schon hat das Stück den Drive, mit dem die erste Single zum Kracher werden sollte.
Starke Typen
für halbstarke Jungs
Kann so gewesen sein, muss es aber nicht. Das gilt für die meisten Szenen in diesem locker skizzierten Bilderbogen, der kein eigenes dramatisches Tempo findet, sondern sich ganz auf die Kraft der Musik verlässt. Deshalb dauert es auch ziemlich lange, bis der Abend auf Touren kommt. Die Jungs müssen ja erstmal üben und ihren Stil finden. Da ist es gut, dass die Schauspieler nicht die Kopie der historischen Originale suchen, sondern ihre starken Typen einsetzen, um die halbstarken Jungs zu porträtieren. Johannes Merz als großmäuliger John Lennon mit revolutionärem Zorn-Potenzial, Tim Jürgens als introvertierter George Harrison, Yannik Meyer als sympathischer Kumpel Pete Best, der von seinen Kollegen verraten werden wird, als die Ringo Starr an sein Schlagzeug setzen – so formt Regisseur Franz-Joseph Dieken scharf umrissene Porträts, die zeigen, dass gerade die Unterschiedlichkeit dieser Charaktere den Weg zum Erfolg bahnte. David Nádvornik spielt den scheuen Stuart Sutcliff mit bescheidenem Bass- und großem Maltalent, der mit seiner Liebe zur Hamburger Fotografin Astrid Kirchherr (Uta Krüger mit natürlichem Charme) die erste Krise der Band auslösen wird. Star der Truppe aber ist Paul McCartney, weil der Schauspieler Delio Malär auch als musikalisches Multitalent glänzt, und wenn er den Song „Twist and Shout“ parodistisch durch die Musikstile der Welt jagt, wird der Abend zur witzigen Musik-Comedy.
Sebastian Prasse, Ole Schloßhauser, Kristin Hansen und Joseph Reichelt wechseln beständig die Rollen, damit der ziemlich dünne Erzählfaden nicht abreißt. Diekens Regie nutzt geschickt den ganzen Hof und schickt Joseph Reichelt als Reeperbahn-Rüpel zwischen die Bankreihen, der mit seinen Pöbeleien den Beatles schnell klarmacht, in welchem Milieu sie gelandet sind. Der Abend zeigt auch erfrischend deutlich, wie die jungen Engländer neben der musikalischen auch ihre sexuelle Karriere beginnen, und nicht jedes Wort möchte man jungen Zuschauern erklären müssen.
Ein starkes Drama wird freilich auch im flotteren zweiten Teil nicht entwickelt, aber wenn der Erzählfluss in einem Konzert versickert, hat die Musik gesiegt. Das ist für ein Stück über die Beatles ja kein schlechtes Finale.