Neues Historienbuch von Andreas Platthaus: „18/19. Der Krieg nach dem Krieg“
Zu einer fulminanten Geschichtsstunde geriet die Lesung von Andreas Platthaus in der Kelterhalle in Oestrich. Der blendende Unterhalter stellte stellte sein neues Buch vor.
Von Viola Bolduan
Akribischer Historiker, blendender Unterhalter: Andreas Platthaus liest im Gespräch mit HR2-Kultur-Moderatorin Ruth Fühner Auszüge aus seinem neuen Buch vor.
(Foto: RLF/Ansgar Klostermann)
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OESTRICH - Wir sind in einer Geschichtsstunde: hören detaillierte Erklärungen im Gespräch und einen fulminanten Vortrag aus dem Buch „18/19. Der Krieg nach dem Krieg“. Es ist die jüngste Veröffentlichung des FAZ-Literatur-Chefs und Autors Andreas Platthaus. Als „Friedens“-Pendant folgt sie auf das Kriegsbuch „1813: Die Völkerschlacht und das Ende der alten Welt“ (2013). Platthaus, Mitglied der Jury für den Rheingau-Literatur-Preis und einer der drei Träger des Hessischen Kulturpreises 2018, stellt es in der Kelterhalle des Rheingau Musik Festivals in Oestrich im Gespräch mit der HR2-Kultur-Moderatorin Ruth Fühner vor. Andreas Platthaus schildert, wie nach dem Waffenstillstand von Compiègne im November 1918 der Erste Weltkrieg noch lange nicht zu Ende war, sondern bis zum Vertrag von Versailles im Juni 1919 auch ohne Waffen weiter gärt – sowohl im kriegstechnisch bezwungenen Deutschland, als auch unter den Siegermächten. Amerika folgte anderen Interessen als die europäischen Alliierten, Frankreich und Großbritannien. Und wenn Platthaus analysiert, so macht er seine Detailkenntnis und die Gedankenbögen anschaulich im Fokus auf Personen und Exkurse in die Kunstgeschichte. Da hat er Glück, dass der französische Ministerpräsident Georges Clemenceau und der Maler Claude Monet befreundet waren. Monets Zyklus der Seerosen-Bilder, ausgestellt im Pariser Museé de l’Orangerie, ist für die Moderatorin ein passender Einstieg ins Thema. Acht der Riesengemälde wird Claude Monet dem französischen Staat schenken – als Mahn- und Denkmal für den Triumph der Nation. Freilich auch nach langem Hickhack zwischen Maler und Politiker, währenddessen in Deutschland das Kaiserreich zusammenbricht und die Weimarer Republik ausgerufen wird. Bis zum Friedensvertrag von Versailles sind es noch acht Monate. Andreas Platthaus zufolge eine Frist, die die Siegermächte mit Streitereien untereinander ungenutzt verstreichen lassen, um eine dem Versailler Vertrag folgende Entwicklung in Deutschland zu verhindern. „Schlimmer hätte es nicht werden können“, denkt Platthaus die Konsequenz des NS-Terrors voraus und stimmt einer Mitschuld der Alliierten „mit Vergnügen“ zu.
Wenn Andreas Platthaus spricht, dann unheimlich schnell, immer präzise gleichwohl und verständlich, druckreif und dennoch anschaulich. Und wenn er liest, dann rezitiert er mit Verve, akzentuiert bis ins Kleinste, mit darstellerischem Talent bis zum Rollenspiel in Prosa. Und wie ist es mit den Bezügen aus 18/19 zur Gegenwart? Da hält sich der Autor zurück: „Ich bin kein politischer Kommentator“. Andreas Platthaus ist ein akribischer Historiker, kenntnisreicher Kunstgeschichtler, rühriger Publizist und blendender Unterhalter.