Georgisches Nationalepos mit ausdrucksstarken Illustrationen
OESTRICH - Als passendes Buchprojekt zur diesjährigen Frankfurter Buchmesse mit dem Gastland Georgien hat der Berliner Galiani-Verlag wieder den Autor Tilmann Spreckelsen und die Illustratorin Kat Menschik zusammengespannt. Wie schon bei Island und Finnland in den Vorjahren galt es, ein Nationalepos umzusetzen. Das christliche Land am Schwarzen Meer erlebte um 1200 in Politik, Kunst und Handel sein „Goldenes Zeitalter“. Der Stoff um zwei Liebespaare und drei befreundete Adelige wurde zuerst mündlich in Versen überliefert. Schota Rustaweli edierte die erste Schriftfassung mit einer Widmung an Königin Tamara (1160-1230), die als „weiblicher König“ verehrt wurde.
Wolfgang Hörner (Galiani) und Heiner Boehncke (Rheingau Literatur Festival) plauderten in der Kelterhalle des Rheingau Musik Festivals in Oestrich munter über die Hintergründe und Entstehung des Bandes „Der Mann mit dem Pardelfell“. Der Titel irritiert bewusst, denn die meisten Übersetzungen gehen von einem „Tigerfell“ aus. Aber die Legende, die Züge von europäischen Ritterromanen mit vorderasiatischen Märchen trägt, legt sich im Georgischen nicht fest, welche Zeichnung der Tierumhang des Mannes hat, der seit Jahren unstet und immer kampfbereit in einsamen Gegenden haust. Daher kommt das alte Wort „Pardel“ zum Einsatz, das allgemein ein Raubkatzenfell bezeichnet.
Der Schauspieler Marc-Oliver Schulze las Auszüge, die vor allem die Stränge der Liebesgeschichten betrafen. Boehnke zeigte sich vor allem von den Frauencharakteren beeindruckt. „Da musste ich schon schlucken“, kommentierte der HR-Hörfunkmann die Tatsache, dass Prinzessin Nerstan, wütend über ihre Verlobung mit einem ihr nicht genehmen Mann, ihren Geliebten Tariel dazu bringt, diesen brutal zu ermorden.
Während die Handlung oberflächlich an die Holzschnittdramaturgie der Nibelungen-Sage erinnert, zeichnet die Prosaerzählung von Spreckelsen die im Original stark betonte Psychologie der Figuren nach. Die „Helden“ sind über weite Strecken reine Parsifale, die erst über Umwege zu Ehre und Ehe finden müssen.
Der besondere Reiz des Galiani-Bandes liegt in den ausdrucksstarken Illustrationen von Kat Menschik. Die Zeichnerin hat, ähnlich wie Tamara Lempicka in den Zwanzigern, einen eigenen flächig bis dekorativen Stil entwickelt. Byzantinischer Goldgrund trifft auf persische Tiermalerei und indische Arabesken. Menschik ist von der Dynamik und den Posen ganz der modernen Graphic Novel verbunden. In jedem Fall unterhält diese Saga mit seiner Mixtur aus Bollywood als das wilde Kurdistan und Märchen aus tausendundeiner Nacht.