Staatstheater Mainz zelebriert Loriots „Ring an einem Abend“
Wotans Feuersbrunst schrumpft zu Kerzenlicht, der umkämpfte Ring verschwindet lautlos in die Tasche einer Männerweste und Mörder Hagen spießt Oliven auf statt Helden. So kann’s gehen, wenn das Staatstheater Mainz Loriots „Ring an einem Abend“ zelebriert.
Von Bettina Boyens
Der Berliner Schauspieler Max Hoppe schlüpft in Loriots Rolle und führt drei Stunden lang durch Wagners Mammut-Opern-Tetralogie.
(Foto: Staatstheater Mainz)
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MAINZ - Wotans Feuersbrunst schrumpft zu Kerzenlicht, der umkämpfte Ring verschwindet lautlos in die Tasche einer Männerweste und Mörder Hagen spießt Oliven auf statt Helden. So kann’s gehen, wenn das Staatstheater Mainz Loriots „Ring an einem Abend“ zelebriert. Einfach wunderbar.
Die Täter im gewaltigsten Drama der Musikgeschichte seien doch eigentlich „ganz nette Leute“, beginnt der Berliner Schauspieler Max Hopp Loriots ironischen Text auf dem berühmten grünen Sofa zu rezitieren, mit dem der Meister des feinsinnigen Humors Wagners Opus Summum in drei Stunden zusammenfasst. Leider wollen diese netten Leute mehr besitzen, als sie sich leisten können und vernichten damit sich selbst und die Welt, aber „zum Glück gibt es dergleichen nur auf der Opernbühne.“ Weitgehend unangetastet lässt der seriös gezügelte Max Hopp Loriots subtilen Wortwitz, dabei hornbebrillt, in karierten Socken und altmodischem Tweed unschwer als eigenwillige Reinkarnation Vicco von Bülows zu erkennen. Dessen berühmtem Vorfahren übrigens Richard Wagner einst die Angetraute mopste. À propos Mops. Nein, Loriots heißgeliebte Hunderasse hockt nicht mit auf dem ausladenden Sofa im Großen Haus. Dafür hat auf der Bühne das gesamte Orchester des Staatstheaters Platz.
Daniela Köhler als innig glühende Brünnhilde
Unter der engagierten Leitung von Generalmusikdirektor Hermann Bäumer gelang der lockende Auftritt der Rheintöchter am packendsten, ebenso wie die Todesverkündigung von Brünnhilde an Siegmund aus der Walküre und das sich gewaltig türmende Finale der Götterdämmerung. In anderen Ausschnitten der Tetralogie blieb noch Luft nach oben. Mancher Bläsereinsatz verwackelte, während die Cellisten Wotans „schweifende Lohe“ unkonzentriert flackern ließen, ebenso wie die Holzbläser die Ringverfluchung Alberichs.
WORUM GEHT´S?
Konzertant knöpfte sich Loriot Wagners Opus Magnum bereits 1992 vor. 15 Stunden Ring-Tetralogie, geschrumpft auf drei Stunden Musik-Ausschnitte inklusive hintergründiger Kommentare. Nach eigenen Angaben soll dieser Abend dazu dienen, „Wagners Verehrern Lust auf das Ganze zu machen und seinen Gegnern, ihre haltlosen Vorurteile zu bestätigen.“ Dabei findet Loriot viel feine Komik in Wagners gewaltigem Weltuntergangsspektakel, bewahrt aber immer auch tiefen Respekt vor dem Personal und ihrem Erschaffer.
Loriots Wagner-Ring ist immer auch ein Schaulaufen schöner Stimmen. Und von denen gab es an diesem Abend etliche zu bewundern. Deutlich war zu hören, dass Daniela Köhler mit ihrem innig glühenden, hochdramatischen Sopran und ihrer klug unterspielenden Aura als Brünnhilde bereits auf dem Grünen Hügel gesungen hat, wenn auch vorerst nur in der Bayreuther Kinderoper-Version. Als ihr gestrenger Wotan-Vater und geheimnisvoller Wanderer in Personalunion überzeugte Ensemblemitglied Derrick Ballard, ebenso wie dessen düstere Gegenspieler: Bassist Stephan Bootz als unheimlicher Hagen und Peter Felix Bauer in der Doppelrolle Alberich/Gunther, beide ebenfalls in Mainz unter Vertrag.
Während die drei Rheintöchter Dorin Rahardja, Eva Bauchmüller und Katja Ladentin schöne Stimmen und neckische Augenaufschläge bereithielten, faszinierten Lars-Oliver Rühl als Siegmund und Vida Mikneviciute als Sieglinde nur bedingt. Wie Hunding verschliefe man mit Loriot gerne „eine der eindrücklichsten Liebesszenen der Operngeschichte“. Weil Vida Mikneviciute wie so oft unkontrolliert die Schleusen ihrer bisweilen schrill überdimensionierten Stimme öffnete und damit spürbar den Liebeszauber des Zwillingspaars beeinträchtigte. Max Spemann als Siegfried sang sich wacker durch die Ausschnitte seiner mörderischen Partie, während Linda Sommerhage als Göttergattin Fricka und Karsten Münster als Mime Ausrufezeichen setzten.
Was bleibt? Die Hoffnung, dass es möglicherweise auch „unseren Göttern dämmert“, wie Max Hopp als Loriot abschließend formuliert. Das erstaunte Augenzwinkern, mit dem er am Ende den heiß umkämpften Ring auf dem Grund seiner Teetasse findet und ihn dann mit spitzbübischem Lächeln in seiner Westentasche versteckt, verweist allerdings aufs Gegenteil. Großer Applaus für alle Beteiligten beendete den von Erik Raskopf subtil eingerichtete Konzertabend.