Zum Abschluss ihrer „Proud Like A God XX“-Tour in der rappelvollen Frankfurter Batschkapp schlugen die Guano Apes zwar inszenatorisch den Bogen zurück zu den Anfangstagen als rotzrockende Schülerband, legten viele ihrer alten Songs aber klanglich völlig neu aus. Auch die Crossover-Pioniere sind in die Jahre gekommen.
FRANKFURT - Da sitzen sie wieder, in ihrem Proberaum. Sängerin Sandra Nasic zirpt auf einen Sessel gefläzt die unverwüstliche „Maria“ an, während „Nirvana“-Frontmann Kurt Cobain mit Foto und die „Beastie Boys“ mit dem „Fight For Your Right“-Slogan von der Wand grüßen. Auch die rote Faust darf nicht fehlen, schließlich war das Pop-Rock-Punk-Gemisch, das die „Guano Apes“ vor genau 20 Jahren mit der Debüt-Platte „Proud Like A God“ nassforsch auf den Punkt brachten, auch als Aufschrei gedacht.
Die 90er Jahre waren eine schmerzensreiche Zeit für Freunde E-Gitarren-getriebener Musik. Die Bierflaschen werfende, Hecken zertretende Schwermetall-Szene hatte sich bis zur Selbstmarginalisierung diversifiziert, um dann in den Haarspraywolken der androgyn-hedonistischen Glam-Metaller und Sleaze-Rocker zu ersticken. Die nachfolgende Generation stellte den krassen Gegenentwurf da, setzte sich maulend in die Ecke, riss ein Stück Tapete runter und nannte es Grunge. Wer aus der alten Garde sich nicht bis an die Schmerzgrenze verbog, fiel der Bedeutungslosigkeit anheim. Der Mainstream wurde unterdessen immer elektronischer, der Hip-Hop zur neuen „Nicht mit uns!“-Geste.
Das konnte so nicht bleiben. Also taten die E-Gitarren-Pistoleros das, was sich später zu einer probaten Methode der Parteipolitik entwickeln sollte: Sie verleibten sich ihre Kontrahenten ein, stückweise und gerade noch so, dass es verdaulich bleibt. Heraus kam die moderne Prägung des Crossover.
„Proud Like A God XX“ stößt auf geteiltes Echo
„Rage against the Machine“, „Clawfinger“, „H-Blockx“, danceartige Beats, Hip-Hop-Breaks, rappender Gesang, gern auch eine Prise Punk im tief ausgeschnittenen, Aufmerksamkeit heischenden Elektroklampfen-Klangkleid. Sie skizzierten, was unter dem Arbeitstitel „Nu Metal“ später von „Linkin Park“, „Limp Bizkit“ und Co. zur Gelddruckmaschine fortentwickelt wurde. Die verängstigt-gelähmte Grundhaltung des Grunge, die in Cobains Freitod eine tragische Pointe fand, galt es mit aller Entschiedenheit hinfort zu prügeln.
Plötzlich schossen die Newcomer-Bands wie die Pilze aus dem Boden. Roh, unvollendet, wuchtig, ekstatisch. Der Erstling der „Guano Apes“ erscheint rückblickend wie ein Destillat, hielt sich eineinhalb Jahre in den Charts und ist seither durchaus in Würde gealtert. Die bis heute unveränderten Göttinger Vier ließen drei Chartplatz-Eins-Alben folgen – und nun einen zwiespältig rezipierten Relaunch. Zum Abschluss ihrer „Proud Like A God XX“-Tour in der rappelvollen Frankfurter Batschkapp schlugen die „Apes“ zwar inszenatorisch den Bogen zurück zu den Anfangstagen als rotzrockende Schülerband, legten viele ihrer alten Songs aber klanglich völlig neu aus. Die Ballade „Rain“ haut, als Alternative-Knüppel gespielt, auch bildlich die anfängliche Proberaum-Szenerie auseinander, „Crossing The Deadline“ kommt als Riff-Rocker daher, „Never Born“ mit fast schon stadionrocktauglichen Gitarren-Loops.
Die alten, aufgefrischten Stücke bilden den Schwerpunkt des Programms, Nasic drahtig und agil wie eh und je das rotierende Zentrum. Ihre rau röhrende, aber auch immer wieder zart flüsternde Stimme bleibt unverkennbar, die souligen Momente setzt sich auch nach 20 Jahren noch zuverlässig in den Sand. Dass zwischendurch US-Rapper Eminem (Nasic: „ein großer Künstler“) gecovert wird, fügt sich trefflich in die stilistische Entwicklung des Genres. Doch das gewisse Etwas fehlt. Ihre garstige Energie erreichen die leicht angeproggte „Suzie“, der damals so aufregende, nun als Singalong-Hymne gespielte Durchbruch „Open Your Eyes“ und auch „We Need The Pain“ nicht mehr. Der umjubelte Rausschmeißer „Lords Of The Boards“ lebt entschieden vom Nostalgie-Faktor. Auch die Crossover-Pioniere sind eben in die Jahre gekommen.