Sting und Shaggy harmonieren bei gemeinsamen Konzert im Mainzer Volkspark erstaunlich gut
Von Torben Schröder
Ein bisschen englische Nieselregen-Romantik, ein wenig jamaikanische Beschwingtheit: Sting und Shaggy auf der Mainzer Volkspark-Bühne.Foto: René Vigneron
( Foto: René Vigneron)
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MAINZ - Sting und Shaggy. Pop-Rock trifft auf Reggae, pointierte Feingeistigkeit auf partytaugliche Effekthascherei, englische Nieselregenromantik auf jamaikanische Beschwingtheit. Eine Mischung, die neugierig macht, womöglich auch skeptisch. Und die beim Konzert im Mainzer Volkspark erstaunlich gut harmoniert. Dabei muss man eigentlich nur 33 Jahre zurückblicken, auf Stings erste Solo-Platte nach der Auflösung seiner Band „The Police“. Da experimentierte der Sänger mit der cremig-charismatisch zwischen Tenor und Falsett pendelnden Stimme nicht nur mit Jazz-Versatzstücken, sondern lud mit „Love Is the Seventh Wave“ auch zur klanglichen Reise an die karibischen Pulversandstrände.
In Mainz gerät der Song zum Aha-Erlebnis, im Refrain dezent von Shaggys Background-Duo angesoult. Der, so die Abwandlung des Intro-Stücks, „Jamaican“ und der „Englishman in New York“ liefern einen Abend fürs Kopfkino. Nicht die hunderte Millionen teuren Action-Blockbuster, sondern flockig-leichte Sommerkomödien, mit Surfern und Mädels im Bikini, aber ohne Schweinigeleien. Auch der tänzelnde Soft-Rocker „Walking On The Moon“ aus der Police-Zeit verströmt Südsee-Vibes. Und als Shaggy erst sein auch schon 25 Jahre altes „Oh Carolina“-Cover runter röhrt, ehe ihm Sting urplötzlich, bei gleichem Takt und denselben Fanfarenstößen, mit dem dezent groovenden „We’ll Be Together“ in die Parade fährt, schleicht sich der Eindruck ein, dass zusammenkommt, was zumindest gut zusammenpasst.
Gemütlicher, gut verdaulicher Reggae-Pop
Im Frühjahr hat das Duo mit „44/876“ eine gemeinsame Platte herausgebracht, die in Deutschland auf Chartplatz eins kletterte. Das war beiden seit der Jahrtausendwende nicht mehr gelungen. Der 110-Minuten-Gig in Mainz war einerseits ein gemeinsames Best-Of-Konzert, legte andererseits mit neun Songs jedoch klar den Fokus auf die aktuelle Scheibe. Und die bietet gemütlichen, gut verdaulichen, in Plüsch gehüllten Reggae-Pop mit sehr dezent gehaltener E-Gitarren-Grundierung. Der Albumtitel liest sich wesentlich komplexer, als die Musik daher kommt. Dabei fehlt es nicht an kulturüberbrückenden Ambitionen, wie Shaggys pathetische „Lasst uns alle Brüder sein“-Rede und die, vor ansonsten unprätentiös in schlichtem Schwarz gehaltener Kulisse etwas aus der Art schlagende, theatralische Inszenierung eines Gerichtsprozesses („Crooked Tree“) zeigen.
NUMMERN-NAME
44/876 haben Sting und Shaggy ihre neue gemeinsame Platte getauft, die in Deutschland bis auf Platz 1 in den Charts kletterte. Der Name des Albums setzt sich zusammen aus den internationalen Vorwahlen von Großbritannien und Jamaika – den Ländern, aus denen die beiden Sänger stammen.
Doch so richtig springt der Funke bei den Klassikern über. Shaggy swaggt sich durch seine Unikate von „Angel“ bis „Hey Sexy Lady“. Und Sting zieht wie gewohnt einen Gutteil seiner Nummern aus der Police-Schatulle. „Every Little Thing She Does Is Magic“, „Message in an Bottle“, „So Lonely“ und „Every Breath You Take“ werden allesamt karibisch angehaucht, ebenso die sanft schwingenden Solo-Songs „Fields of Gold“, „If You Love Somebody“, „Shape of My Heart“ und das statt der Elektro-Umfransung in musikalischer Handarbeit verzierte „Desert Rose“. Wobei selbst in Stings eingängigsten Kompositionen eine melodische Finesse sichtbar bleibt, die die Gemeinschaftswerke nicht annähernd erreichen. Und die sie offenkundig auch gar nicht anstreben. Sommerliche Gute-Laune-Musik zum Nichtnachdenken, es gibt wahrlich Schlimmeres.
Nur der Schlusspunkt liegt schwer im Magen
Eine besondere Note verleihen dem musikalischen Menü die Häppchen aus der Fusionsküche. „Roxanne“ und „Boombastic“, die in ihrer jeweiligen, markanten Gesangsart wohl am inbrünstigsten intonierten Gassenhauer, verschmelzen kongenial, während Shaggys gerappte Strophe bei Stings sensiblem Rührstück „Fragile“ wie ein Stein im Magen liegt. Doch abgesehen von diesem deplatzierten Schlusspunkt strömt eine Menge Harmonie durch den auch jenseits des Konzertgeländes proppevollen Volkspark. Sting und Shaggy, das macht neugierig. Und es passt tatsächlich.