ZDF-Moderatorin Barbara Hahlweg sucht in den neuen Bundesländern nach Gründen für die kollektive Enttäuschung.
Von Volker Milch
Redakteur Kultur/Politik/Wirtschaft Wiesbaden
Die Wut ist groß unter den ehemaligen Kali-Kumpels, die hier mit Moderatorin Barbara Hahlweg sprechen.
(Foto: ZDF)
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WIESBADEN - In Bischofferode im Norden Thüringens ist es nach der Wende offenbar nicht so gut gelaufen. Ein ehemaliger Kali-Kumpel redet sich vor der Kamera in Rage, als würde er die Reporterin Barbara Hahlweg höchstpersönlich für die Lage verantwortlich machen: „Wir haben noch keine gleiche Rente, noch keine gleichen Löhne, noch keine gleichen Bedingungen. Was ist denn das? Eine Wiedervereinigung? Dankeschön!“ Im Hintergrund sieht man eine Abraumhalde. In Bischofferode ist die Arbeiterschaft vor 25 Jahren in den Hungerstreik getreten, um das Werk zu retten. Vergeblich.
Diese Szene aus der Dokumentation „Vereint – und doch nicht eins?“ steht für eine Befindlichkeit im Osten, der sich eben nicht flächendeckend zu „blühenden Landschaften“ entwickelt hat. Die Doku zum Tag der Deutschen Einheit, produziert von „Bewegte Zeiten“ in Wiesbaden, wird am 3. Oktober zur besten Sendezeit im ZDF ausgestrahlt (19.30 Uhr). Geschäftsführer Tim Gorbauch betont im Gespräch, dass die Regisseurin Bettina Wobst selbst aus den neuen Bundesländern komme. Man wollte vermeiden, dass der Osten wieder nur aus der West-Perspektive thematisiert wird.
Die ZDF-Moderatorin Hahlweg begibt sich in Bischofferode, Bitterfeld oder Meißen aber nicht nur auf die Suche nach Gefühlslagen und der „Enttäuschungskurve“, die ein Soziologe registriert. Im Supermarkt sucht sie nach Ost-Produkten. Nur 17 Prozent aller Ostmarken haben das Jahr 1990 überlebt. Die Eigentümer sitzen nun „zum großen Teil“ im Westen.
Die Wut ist groß unter den ehemaligen Kali-Kumpels, die hier mit Moderatorin Barbara Hahlweg sprechen. Foto: ZDF
Ehemalige Kali-Kumpels aus Bischofferode im Gespräch mit Reporterin Barbara Hahlweg. Foto: ZDF
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60 Prozent der Ostdeutschen fühlen sich nicht angekommen im vereinten Deutschland. Zahlen sollen solche Gefühle nachvollziehbar machen: Die Wirtschaftsleistung stagniert schon seit der Mitte der 90er-Jahre auf 68 Prozent des West-Niveaus. Eine Million Menschen sind auf der Suche nach besseren Möglichkeiten abgewandert. 90 Prozent der Betriebe haben maximal 10 Mitarbeiter. Die Folgen solcher Kleinteiligkeit: Es gibt kaum Forschung, kaum Exporte und „deutlich geringere Löhne“. Der durchschnittliche Bruttolohn ist mit 2690 Euro im Osten immer noch erheblich niedriger als 3330 Euro im Westen. „Die Ungleichheit ist nicht nur ein Gefühl“, sagt Barbara Hahlweg.
Hat der Osten noch die Chance, den Rückstand aufzuholen? In den Ballungsgebieten, so der Wirtschaftswissenschaftler Joachim Ragnitz, sei das gut möglich. In den ländlichen Regionen nicht. Damit sei eine „Angleichung“ insgesamt wenig wahrscheinlich. Welche Folgen der Rückstand auch für das Politikverständnis hat, lässt die Formulierung eines wütenden Kali-Kumpels ahnen: „In der Praxis haben wir gesehen, wie Demokratie aussieht!“
Aber es gibt auch im Osten Gewinner. Zum Beispiel die junge Landwirtin Kathrin Naumann, deren Agrarbetrieb aus einer „LPG Tierproduktion“ der DDR hervorgegangen ist: „Eine schöne Geschichte“.