Das Theaterstück „Das Letzte Parlament“ wird im Plenarsaal des rheinland-pfälzischen Landtages aufgeführt. Landtagspräsident Hendrik Hering über das Stück und die Kraft der repräsentativen Demokratie.
Von Hendrik Hering
Hendrik Hering (SPD) ist seit 2016 Präsident des rheinland-pfälzischen Landtags.
(Foto: Harald Kaster)
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Das letzte Parlament überlebt im Museum das Ende des Parlamentarismus. Mit diesem provozierenden Szenarium greift das Staatstheater Mainz in dieser Spielzeit in die Debatte über die Zukunft des Parlamentarismus ein. Wir Abgeordnete verstehen diese Intervention nicht als Angriff, sondern als Anregung.
Theater und Parlament besitzen in ihrer Entstehung Parallelen. Sie sind in ihrer modernen Form im 18. und 19. Jahrhundert als Orte der bürgerlichen Öffentlichkeit entstanden. Das Theater entwickelte sich von einer Jahrmarktattraktion hin zu einem Ort der Bildung. In den Parlamenten wurden aus Untertanen und Ständevertretern selbstbewusste Bürger.
Sind Theater wie Parlamente heute Relikte einer vergangenen Zeit und sollten im Museum verbleiben? Warum sollte man sich eine Theateraufführung anschauen, wenn ein Kinofilm eine technisch perfekte Illusion liefert? Warum langwierige Parlamentssitzungen durchführen, statt „liquid democracy“ zu praktizieren?
Hendrik Hering (SPD) ist seit 2016 Präsident des rheinland-pfälzischen Landtags. Foto: Harald Kaster
In dem Stück „Das letzte Parlament“ wird der ganze Plenarsaal zur Bühne.
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Theater und Parlament sind analoge Orte in einer zunehmend digitalen Zeit. Alle Kinovorstellungen sind identisch. Auf der Bühne dagegen herrscht Offenheit. Keine Aufführung eines Theaterstücks gleicht exakt der nächsten. Es zählt der Moment. Dieser ist immer einzigartig. Ein Ensemble kann im Zusammenspiel mit dem Publikum auch über sich hinauswachsen. Im Theater kann dadurch immer wieder Neues entstehen. Das Parlament ist ein Ort der Demokratie. Die Plenarsitzungen dienen der Rechtfertigung der eigenen Position und der Diskussion. Die Plenarsitzung ist das Schaufenster, die Bühne, auf der all das gezeigt wird, was im Vorfeld bereits erarbeitet wurde: in einer Vielzahl von Gesprächen, die stattfinden in Ausschüssen und Arbeitskreisen, mit Kolleginnen und Kollegen ebenso wie mit Verbandsvertretern, aber auch mit den Bürgerinnen und Bürgern in Mainz und im Wahlkreis.
AUFFÜHRUNGEN
„Das letzte Parlament (Ghost Story)“von Björn Bicker in der Inszenierung von Brit Bartkowiak ist noch am 29. September, 13. und 28. Oktober sowie am 8. November im Plenarsaal des Landtags in der Steinhalle des Landesmuseums zu sehen, Beginn jeweils 19.30 Uhr.
Wenn das Parlament seinem Anspruch gerecht wird, ist es Forum der Demokratie im Lande. Seine Aufgabe besteht darin, kreativ nach Lösungen für gesellschaftliche Probleme zu suchen. Als Abgeordnete werden wir nur dann unseren Auftrag erfüllen, wenn wir respektvoll miteinander umgehen. Parlamentarier haben eine Vorbildfunktion. Sie müssen in ihrem Verhalten zeigen, dass es möglich ist, Konflikte inhaltlich scharf auszutragen und zugleich anzuerkennen, dass auch der Andere das Beste für das Land anstrebt.
Um die Demokratie weiterentwickeln zu können, müssen Parlamente und ihre Abgeordneten aber vor allem Bürgernähe zeigen. Sie ist das Pfund, mit dem Landesparlamente wuchern können. Mitglieder des Landtags können, einfacher als Bundestagsabgeordnete mit großen Wahlkreisen, im intensiven Kontakt mit den Bürgern stehen. Den Mitgliedern des Landtags kommt die wichtige Rolle zu, Vermittler der Politik zu sein. Sie müssen die Bedürfnisse der Menschen wahrnehmen. Sie müssen aus widerstreitenden Interessen eine konsistente Politik formen und ihre Entscheidungen in den Wahlkreisen erklären und verteidigen.
Unsere Gesellschaft unterliegt einem steten und beschleunigten Wandel, der von vielen als Bedrohung empfunden wird. Gewohnheiten und alltägliche Gewissheiten werden in Frage gestellt.
Gerade dann, wenn Europäisierung und Digitalisierung voranschreiten, empfinden die Menschen ein Bedürfnis nach regionaler Identität. Regionale Identität kann dabei nicht heißen, das Überkommene zwanghaft zu bewahren. Sie bedeutet vielmehr, die Zukunft bewusst zu gestalten. Der bedeutende Literaturwissenschaftler und jüdische Emigrant Hans Mayer bezeichnete Heimat in diesem Sinne als „Herkunft und Aufgabe“.
In einer demokratischen Gesellschaft muss sich jeder der Aufgabe stellen, das Erreichte zu verteidigen und für eine bessere Zukunft zu wirken. Das kann uns gelingen. Denn das Parlament ist ein authentischer Ort, ein Ort der Aktion und Reaktion, der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung. Die Abgeordneten bringen hier ihre Eindrücke und Vorschläge aus ihren Heimatregionen mit ein. Hier im Landtag ist es unsere Aufgabe abzubilden, was die Menschen zuhause bewegt.
Dabei müssen wir zusammenstehen, um die liberale Gesellschaft zu verteidigen. Darum, in welcher Gesellschaft wir künftig leben möchten, muss gerungen werden. Wir verteidigen die Demokratie, indem wir es mit Respekt für den politischen Gegner tun, indem wir auch über Parteigrenzen hinweg zusammenstehen gegenüber allen, die eine liberale und tolerante Gesellschaft ablehnen, die das Überkommene bewahren wollen.
Analoge Orte behalten auch in der digitalen Welt ihre Berechtigung. Nur an ihnen können ein direkter Austausch und ein unmittelbares Gespräch stattfinden. Das Staatstheater unterstützt uns mit dem Stück „Das letzte Parlament (Ghost Story“) dabei, indem es uns den Spiegel vorhält, in dem wir uns immer wieder selbst vergewissern müssen.