Martin Konietschkes Plastiken und Bilder bei Lattemann
Er ist ein Meister künstlerischer Techniken: Der Dieburger Maler und Bildhauer Martin Konietschke zeigt Arbeiten aus drei Jahrzehnten in der Trautheimer Galerie Lattemann.
Von Annette Krämer-Alig
Der Bildhauer und Maler Martin Konietschke zeigt in der Trautheimer Galerie Lattemann Arbeiten aus drei Jahrzehnten
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TRAUTHEIM - Wer interessiert den Menschen am meisten? Zu hoffen ist: er selbst. Und das nicht aus Selbstverliebtheit, sondern weil dieses Interesse notwendig in Selbsterkenntnis mündet, in Verwunderung und das Lachen über sich selbst, in Zweifeln an eigenen Rollen, aber auch in Selbstvergewisserung. Und vor allem in Menschenkenntnis, die nicht denunziert. Der Dieburger Bildhauer und Maler Martin Konietschke scheint darin ein Meister, wie die aktuelle Ausstellung der Trautheimer Galerie Lattemann wieder deutlich macht. Er ist sich in seinen Bronzeplastiken, Acrylgemälden, Tuschezeichnungen sowie Radierungen schon mindestens seit drei Jahrzehnten intensiv auf der Spur. Denn sein Gesicht und seine Statur kehren hier vielfach wieder, stellvertretend sozusagen, einer von allen, aber einer, den er kennt.
Konietschke erscheint in Plastiken wie Bildern mehrfach als Mann im Mantel, der real wie metaphorisch ziemlich entschlossen seinen Weg gegen den Wind nach vorn weiterzieht. Er schlüpft aber auch als mal festfreudiger, mal fast unheilschwangerer Mensch in barocke Gewänder. Er ist an der einen Wand ein ebenso ent- wie verschlossener Trommler (für was?) mit mächtigem Instrument vor dem Bauch, an der nächsten Wand einer, der sich in bester Laune aus dem Fenster lehnt, weil draußen wohl ein Fest gefeiert wird, für das seine Hauswand mit farbenprächtiger Flagge geschmückt wurde. Und Konietschke ist, das darf in dieser Hommage an den Menschen im Künstler wohl nicht fehlen, zudem ein althergebrachter "Maler mit seinem Modell", der sich im Atelier ums Auskommen müht.
Das scheint (oft im Sinne des Wortes) pralles, bisweilen augenzwinkerndes Leben, das der 2009 mit dem Lichtenberg-Preis ausgezeichnete Dieburger Künstler in Bronzereliefs dann auch Frauentorsi verschreibt, bei denen die Rundungen nur so überquellen, oder der gemalten Rückenfigur einer "Tanzenden", die er mit viel Rot und überdrehter Erotik auf die Leinwand gebracht hat. Dass derlei Griffe ins Volle dabei keineswegs immer in eins gehen mit Lust und Wonne beweist Konietschkes violett-schwarz-weißer "Sommernachtstraum". Mit dessen schauriger Personage möchte wohl kein Betrachter den Schlaf teilen.
ÖFFNUNGSZEITEN
Die Ausstellung in der Galerie Lattemann (Trautheim, Papiermüllerweg 7) ist bis 23. September jeweils Mittwoch bis Freitag 16 bis 19 Uhr, Samstag 11 bis 14 Uhr und Sonntag von 15 bis 18 Uhr geöffnet. (aka)
Bei den meisten dieser Arbeiten wird deutlich, wie bewusst Martin Konietschke als Meister vieler Techniken seinen kunsthistorischen Inspiratoren die Ehre erweist, gerade weil er sich freizuschwimmen weiß. In seinen Plastiken finden sich Elemente des Naturalismus, aber auch der Stil der späten fünfziger Jahre, die Malerei atmet den späten Barock, aber auch die Neue Sachlichkeit - immer im spannungsreichen Zusammenklang mit dem eigenen, treffsicher gesetzten Strich des Künstlers in Tusche, Aquarell und Acryl oder mit seiner Ton-Modulierung, bei der Falten und Schrunden nicht in die Tiefe des Körpers dringen, sondern fast obenauf geklebt scheinen. Wie weit Konietschke hier bereit ist, nicht nur alte Schulen, sondern auch einen Rodin hinter sich zu lassen, beweist seine kleine Lichtenberg-Bronze. Die Oberflächen wirken wie zerwühlt, Hände und Füße werden zu wüsten Wunden.
Wo es stiller wird, zeugen die Plastiken von Martin Konietschkes Wettstreit mit traditioneller Kunst. Dann wird das Bronzerelief-Porträt eines "Georg N." wirklich zum Porträt, könnte die "Frau mit Stola" tatsächlich aus den Zwanzigern kommen, macht der "Reiter" deutliche Anleihen bei der antiken Bildhauerei. Und im außergewöhnlichen "Wehrhaften Gnom", der trotz seiner verschobenen Proportionen kein Mitleid erweckt, weil er sehr fest auf dem ungewöhnlichen "Sockel" einer Wegfläche zu stehen scheint, dürfte ein wenig Goya stecken.