Depot des Landesmuseums Wiesbaden: Zeichnung von Eva Hesse darf möglichst wenig dem Licht ausgesetzt werden
Von Jörg Daur
Eva Hesse, Ohne Titel, 1965: Das Museum Wiesbaden plant für März nächsten Jahres eine Ausstellung mit 80 ähnlichen Werken der Künstlerin.
(Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)
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WIESBADEN - Ein besonderes Leuchten in den Augen der Besucher begegnet einem auch heute gelegentlich noch, nun schon fünfzehn Jahre nach der umfassenden Werkschau Eva Hesses, wenn ich auf die Arbeiten der 1936 in Hamburg geborenen und bereits 1970 viel zu früh in New York verstorbenen Ausnahmekünstlerin zu sprechen komme. Und Hesse ist tatsächlich eine der Figuren der Kunst des 20. Jahrhunderts, die bis heute bleibenden Einfluss auf die aktuelle Kunstentwicklung haben, die bis heute nicht nur Generationen von begeisterten Besuchern, sondern eben auch nachfolgenden Künstlerinnen und Künstlern in den Bann ziehen.
Dass dies nicht immer so war, dass Hesse Anfang der 1990er Jahre quasi wiederentdeckt werden musste, wissen die wenigsten. Nach ihrem Tod und bald nach der direkt anschließenden Würdigung in einer Einzelausstellung im Guggenheim Museum in New York, wurde es ruhig um ihr Werk. Bald war sie mehr als tragische Figur, denn als Schöpferin dieser wunderbaren Werke im kollektiven Kunstgedächtnis abgespeichert. Anstoß für die erneute Beschäftigung mit ihrem Werk gab der 1989 von Bill Barrette herausgegebene Überblicksband über ihr skulpturales Schaffen. Und bereits 1990 hielten Hesses Werke Einzug ins Museum Wiesbaden. Als Bestandteil der Ausstellung „Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts“ waren sie einer der Höhepunkte dieser wegweisenden Schau.
Das vorliegende Blatt, 1990 im Museum Wiesbaden zu sehen, konnte im Anschluss an die Ausstellung erworben werden und bildet heute zusammen mit zwei weiteren Zeichnungen, drei Gemälden und fünf skulpturalen Arbeiten einen zentralen Werkkomplex in der Wiesbadener Museumssammlung. Dass die kleine kolorierte Zeichnung dennoch ihr Dasein zumeist im Museumsdepot fristen muss, ist schlicht ihrer Fragilität, also der Empfindlichkeit der zarten Farben geschuldet, die möglichst wenig dem Licht ausgesetzt werden dürfen… und natürlich in diesem Zusammenhang auch ein wenig der außerordentlichen Kostbarkeit des Blattes. Wurde die Zeichnung damals für eine durchaus beträchtliche fünfstellige Summe erworben, ist ihr Wert heute sicherlich auf das Zwanzigfache gestiegen.
Eva Hesse, Ohne Titel, 1965: Das Museum Wiesbaden plant für März nächsten Jahres eine Ausstellung mit 80 ähnlichen Werken der Künstlerin. Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert
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Eva Hesse hat die Zeichnung wohl im Kontext der in Deutschland entstandenen Reliefs angefertigt. 1964 reiste sie für ein knappes Jahr nach Europa, lebte zusammen mit ihrem Ehemann Tom Doyle bei Friedrich Arnhard Scheidt in Essen-Kettwig, der dem Künstlerpaar dort eine Etage seiner stillgelegten Textilfabrik zur Verfügung stellte. Aus den da vorgefundenen Materialresten setzte sie spielerisch ihre ersten plastischen Arbeiten zusammen, gewann einen Ausdruck, der ihr wenig später zum Durchbruch in der New Yorker Kunstszene verhelfen sollte. Unsere Zeichnung scheint diese Materialreste zu zeigen, Maschinenteile vielleicht auch, daneben organisches. Jedenfalls zeigt sie den spielerischen Umgang damit, die ganze Komposition erinnert an ein Legespiel, in dem die einzelnen Kästchen immer wieder neue Verbindungen aufzunehmen scheinen.
Ein Ding in Bewegung, das den Betrachter herausfordert
Ein Ding in Bewegung jedenfalls, das den Betrachter herausfordert. Wohl in demselben Maße, wie die neuartigen Materialien Ansporn für die Künstlerin waren. Dabei zeigen die Formen eine Lebendigkeit, die unterstützt von der subtilen und feinästhetisch ausbalancierten Farbigkeit Energie und Leichtigkeit gleichzeitig zu transportieren scheinen.
Und gerade weil sich an Hesses Zeichnungen so vieles beobachten lässt, das auch ihre parallel dazu entstandenen Skulpturen prägt, zeigt das Museum Wiesbaden im März kommenden Jahres rund 80 dieser Preziosen auf Papier in einer Überblicksschau. Dann darf selbstverständlich auch unsere kleine Zeichnung aus dem Dunkel des Depots ins Licht der Galerie.