Christine Biehlers Rauminstallation „MANoMAN“ in Mainz

Heimatbezug durch Firmen-Chiffre MAN, Kunst auf der Kippe: Christine Biehler mit Lkw. Foto: hbz/Henkel
© hbz/Henkel

Freigelegtes Getriebe, tonnenschwere Kunst: In einer ehemaligen Mainzer Apotheke zeigt Christine Biehler eine außergewöhnliche raumgreifende Installation. Das Motto: „heimat/en“

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MAINZ. Ein Lkw rast ungebremst in eine Innenstadtapotheke: So ähnlich könnte die Sensationsschlagzeile lauten. Was auf den ersten Blick anmutet wie ein Horrorszenario, ist eine Rauminstallation der besonderen Form. Das Geschehen wird durch eine gelb blinkende Warnleuchte augenscheinlich für den Betrachter noch verstärkt. Das stählerne rote Lkw-Führerhaus wirkt bedrohlich, ist nach vorne geneigt, das Getriebe freigelegt, und der gesamte Korpus erstreckt sich eingeklemmt zwischen Decke, Wand und Säulen – ja sogar raumsprengend am Heck im Inneren der ehemaligen Apotheke.

Christine Biehler verleiht ihrer außergewöhnlichen und aufwändigen Aktionskunst den Titel „MANoMAN“. Sie hat einen kompletten Lkw demontiert, ihn durch eine 90 Zentimeter breite Tür befördert und ihn anschließend wieder re-inszeniert. Es handelt sich um eine ortsspezifische Installation zum Thema „heimat/en“, die vom Kultursommer Rheinland-Pfalz ausgerufenen worden ist. Der Heimatbezug wird durch den Nutzfahrzeuge-Konzern „Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg“ (MAN) hergestellt. Im Werk Ginsheim-Gustavsburg sind in der Nachkriegszeit Stahlhäuser in Fertigbauweise produziert worden. 40 Exemplare davon blieben erhalten und stehen heute in unserer Region unter Denkmalschutz.

Das Unternehmen habe während des Krieges nicht in die Rüstung investiert, sondern sich nach dem Weltkrieg am dringend gewordenen Wiederaufbau von Wohnungen und Häusern beteiligt, so Biehler. Drei davon seien „An der Goldgrube“ in der Nähe des Vincenz Hospitals zu finden. Ein Stück deutsche Zeit- und Architekturgeschichte, das die Wohnungsnot in der Nachkriegszeit abbildet. Das sprichwörtliche „Dach über dem Kopf“, das die heimische Geborgenheit darstelle, so die Bildende Künstlerin. Vielleicht ist diese Art von Wohnungsbau sogar der spätere Ideengeber für die Gestaltung von Fahrerkabinen der heutigen Lkw gewesen. So genau könne der Nachweis nicht erbracht werden. Einen anderen Interpretationsansatz liefert vermutlich unsere Gesellschaft selbst. Mit ihrem Mobilitätsanspruch: immer auf Achse zu sein, wie vielleicht ein heimatlos getriebener Lkw, der da – mit einem Aha-Effekt für seine Betrachter – hinter der Schaufensterscheibe der Apotheke Station gemacht hat.