Der Allround-Künstler Helmut Lortz wurde vor 100 Jahren geboren. Zur Erinnerung dokumentieren in diesem Jahr elf Darmstädter Ausstellungen sein Werk.
Von Annette Krämer-Alig
Kulturredakteurin Darmstadt
Der große Ausstellungsreigen zur Erinnerung an den Künstler Helmut Lortz beginnt am kommenden Sonntag mit der Schau "Frühe Zeichnungen. Geschichte eines Saustalls" im Darmstädter Kunstarchiv. Foto: Andreas Kelm
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DARMSTADT"Helmut Lortz war ein Gesamtkunstwerk", sagt Claus Netuschil am Mittwoch im Kunstarchiv Darmstadt bei der Vorstellung des frisch gedruckten Flyers, in dem elf Darmstädter Kunst-Institutionen die Präsentationen vorstellen, mit denen sie bis zum Ende des Jahres an elf Orten einen Künstler ehren wollen, der am 25. April vor 100 Jahren geboren wurde. Und tatsächlich gerät schon die Pressekonferenz, in der die Ausstellungsmacher ihre unterschiedlichen Konzepte vorstellen, zur lebhaften Erinnerungsrunde der Beteiligten an die weiten Kreise und das riesige Werk Helmut Lortz'. Denn jeder der Veranstalter hat den 2007 Verstorbenen gekannt - und erinnert sich daran offensichtlich genauso gern, wie er das künstlerische Können des Grafikers, Zeichners, Illustrators, Fotografen, Buchgestalters und sogar Entwerfers von Kirchenfenstern schätzt.
Los geht die große Ausstellungsrunde für Lortz, der 1920 in Schneppenhausen geboren wurde, schon am kommenden Sonntag mit "Frühe Zeichnungen. Geschichte des Saustalls" im Kunstarchiv sowie "Lortz & Reinheimer. Dokumente über Freundschaft und gemeinsame Arbeit in Reutlingen und Darmstadt" in den Büroräumen der Druckerei Reinheimer. Ab April sind "Der Allround-Künstler" (Galerie Netuschil) und "Der Gebrauchsgrafiker" (Institut für Neue Technische Form (Intef)) das Thema, und im Juli wird pünktlich zum Bürgerfest der "Heinerfest-Illustrator" geehrt (Weißer Turm). Es folgen im September "Ein fotografischer Spaziergang durch sein Leben" (Atelier Gunschmann), "Helmut Lortz in Arheilgen" (Kreuzkirche Arheilgen) sowie "Akte, Nackte, Schöne, erotische Fröhlichkeiten" (Keller-Klub im Schloss) sowie "Lauter schöne Bilder aus Privatbesitz" (Künstlerhaus Ziegelhütte). Mit "Helmut Lortz an der Werkkunstschule Darmstadt" (Fachbereich Gestaltung der Hochschule Darmstadt) und einer "Resopal-Hommage" soll das Gedenkjahr im Oktober enden.
Damit wird es zwar wieder keine umfassende Darmstädter Retrospektive für den Künstler geben, der 1955 zusammen mit Wilhelm Loth der erste Kunstpreisträger der Stadt Darmstadt war. Das schien zunächst auch ein Manko für den Kunstarchiv-Vorsitzenden Netuschil. Doch als er im vergangenen Frühjahr auf die jetzigen Veranstalter zugegangen ist, stieß seine Idee eines Lortz-Ausstellungsreigens schnell auf Begeisterung. Und "nun spiegelt sich in diesem thematischen Füllhorn die ganze Breite seines Schaffens und seines Lebens", wie Netuschil sagt.
TERMINE
Am Sonntag, 23. Februar, beginnen die ersten beiden Darmstädter Lortz-Ausstellungen: "Helmut Lortz zum 100! - Erzählende Linie / Ein Saustall als Atelier" wird um 11 Uhr im Kunstarchiv, Kasinostraße 3, eröffnet und ist bis 29. Mai dienstags bis freitags von 10 bis 13 Uhr, donnerstags auch bis 18 Uhr zu sehen.
Die Vernissage zu "Lortz & Reinheimer" in der Druckerei Ph Reinheimer, Gagernstraße 7-9, beginnt um 13 Uhr. Die Schau ist bis 24. April montags bis freitags von 8 bis 16 Uhr geöffnet. (aka)
Eine kleine Auswahl der Vielfach-Beziehungen, die da aufscheinen werden: Mit Arheilgen, wo bis heute in der Kreuzkirche sein einziges Kirchenfenster zu sehen ist, verband den Künstler der langjährige Wohnort - und vor allem der sogenannte "Schweinestall", wie Lortz' Atelier genannt wurde, das er in den Fünfzigern zum Treffpunkt für Darmstadts Kunstwelt machte. Schon dort traf er sich auch mit dem Lebensfreund Karl-Heinz Reinheimer, mit dem ihn auch Jahrzehnte lang die Liebe zur Gestaltung schöner Bücher verband, die nun der Sohn Thomas Reinheimer aus dem familiären Fundus dokumentieren wird. Den Kunst-Keller im Schloss hat Lortz später mitbegründet, und die dort gezeigten lockeren Blätter werden vom heiteren Darmstädter Kunstleben der sechziger und siebziger Jahre zeugen.
Wenn nun auch das Kunstarchiv bereits diese frühen Jahre eines Gestalter-Lebens dokumentieren kann, hängt dies mit einer Rettungsaktion zusammen. Da Lortz keine Erben hinterlassen hat, wäre der riesige Bild-Fundus auf dem Müll gelandet, der sich nach dem Tod des Künstlers in dessen letzten Atelier im Künstlerhaus Ziegelhütte befand - wenn nicht Netuschil und Liane Palesch (die die Schau im Künstlerhaus ausrichtet) hier gerettet hätten.
Palesch und Lortz waren auch ein kreatives Doppel bei zwei Logos, die Darmstädter Geschichte geschrieben haben: Sie war lange Jahre mitverantwortlich für die Heinerfest-Organisation, für die er ab 1990 die Plakate der Strichmännchen-Familien mit Herz geschaffen hat (die nun im Zentrum der Schau im Weißen Turm stehen werden).
Palesch war über lange Jahre hinweg auch der gute Geist der Darmstädter Sezession, für die Lortz ihr altes Logo des "Bogenschützen" auf modernen Stand brachte. Derlei Kunst des knappen Strichs verdankt sich wiederum dem Brotberuf des Künstlers, der im Intef und von der Hochschule für Gestaltung gewürdigt werden soll: Als Professor für Gebrauchsgrafik war Lortz zunächst in Darmstadt an der damaligen Werkkunstschule und dann lange Jahre an der Berliner Hochschule für Bildende Künste tätig.