Die Compañía Manuel Liñán begeisterte am Wochenende. Ungewöhnlich, aber stimmig dabei: Die weiblichen Parts ihres rasanten Flamenco tanzten Männer.
Von Klaus Trapp
Sie begeistern mit klassisch-weiblichem Flamenco, aber in den Kostümen stecken Männer: Die Ballettkompanie von Manuel Liñán begeisterte am Wochenende bei ihrem Gastspiel im Darmstädter Staatstheater.
(Foto:Marcosgpunto/Staatstheater)
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DARMSTADT - „Viva!“ hieß es am Samstag- und Sonntagabend, als die Compañía Manuel Liñán, eingeladen vom Hessischen Staatsballett, im Kleinen Haus des Staatstheaters Darmstadt zu Gast war. Denn der Choreograf und Tänzer Manuel Liñán hat seine Wurzeln im Flamenco, der alten andalusischen Musikform, doch er sucht die Tradition mit der Avantgarde zu verbinden.
Er unternimmt das Wagnis, den Flamenco quasi neu zu erfinden, indem er die Rolle der Frauen von Männern übernehmen lässt, den „Tänzer-Tänzerinnen“, wie er sie nennt. Und die um ihren Chef gescharten sechs Tänzer zeigen denn auch, wie tief sie sich in das Wesen der Weiblichkeit versetzen können. Dazu dienen ihnen einerseits die individuell in Form und Farbe zugeschnittenen Schleppenkleider, vor allem aber die live gespielte und gesungene Musik, die ihnen im wahrsten Sinne auf die Sprünge hilft.
Die fünf Musiker in schwarzen Anzügen halten sich zunächst hinter einem Vorhang aus Glitzerschnüren auf, mischen sich dann im Lauf des Abends aber immer eifriger ins Geschehen auf der Bühne ein. Es sind drei vorzügliche Instrumentalisten – Geige, Gitarre und Schlagzeug – sowie zwei lebhafte Sänger, die gleichsam die Männerrollen vertreten. Die Musik durchmisst, perfekt der Choreografie angepasst und über Lautsprecher verstärkt, eine weite Gefühlsskala, wie sie dem Flamenco eigen ist. Von abgrundtiefer Klage bis zu heftiger Leidenschaft reichen die Melodien und Rhythmen, und die Tänzer, die von Soloauftritten bis zu Ensembleszenen wechseln, wandeln die Klänge brillant in Bewegung um.
Als Requisiten genügen dabei drei Holzbänke, die von den Akteuren selbst ständig verschoben werden und so den Raum strukturieren. Die Faszination der pausenlos aufeinander folgenden Tänze liegt in der Eleganz, mit der die Tänzer ihre Körper vom Kopf bis zu den Finger- und Fußspitzen einsetzen, in der Virtuosität, mit der sie blitzschnelle Drehungen und Wendungen ausführen, und im mitreißenden Temperament, mit dem sie sich auch beim Mitsingen und -sprechen bewähren.
Die Flamenco-Rhythmen werden dabei kräftig und rasant akzentuiert durch Händeklatschen, dem steppenden Einsatz von Fußsohle und Ferse sowie der Verwendung von klappernden Kastagnetten. Und auch der Humor kommt nicht zu kurz, wenn eine Streitszene geschlichtet wird oder wenn ein Tänzer aus Erschöpfung zusammenbricht und wieder belebt werden muss.
Doch die Illusion der verführerischen Weiblichkeit dauert nicht bis zum Schluss. Nach einem wunderschönen Schleppentanz der ganzen Compagnie legen die Tänzer ihre Kostüme ab, sie entfernen die Schminke und reißen sich die Perücken vom Kopf. Die Wahrheit liegt gleichsam in der Einfachheit und Natürlichkeit. Nicht Sexismus ist das Ziel von Manuel Liñán, sondern der freie Ausdruck eigener Körperlichkeit. Nach knapp zwei fesselnden Stunden einer neuen Sicht auf den Flamenco gab es begeisterten Beifall.