Regisseurin stellt in Weiterstadt „Die Kinder der Toten“ vor
Kelly Copper hat einen monströsen Heimat-Horror-Roman von Elfriede Jelinek verfilmt – ohne ihn gelesen zu haben, mit Laiendarstellern und in Super 8.
Von Stefan Benz
Kulturredaktion Darmstadt
Wenn die Toten Blasmusik hören, haben sie immer noch so viel Spaß wie zu Lebzeiten. Szene aus der Groteske „Die Kinder der Toten“.
(Foto: Cineleusis)
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WEITERSTADT - Mit Super 8 hat in Weiterstadt ja alles angefangen. Die Technik ging, der Kult blieb. Seit Jahren feiern sie im Sommer beim Open-Air im Braunshardter Tännchen den besten kurzen Schmalfilm mit der Filmhirsch-Trophäe. Aber so einen irren Super-8-Streifen hatten die Kinomacher hier noch nicht: Am Samstag, 9. November, kommt die amerikanische Performance-Regisseurin Kelly Copper zur 20-Uhr-Vorstellung ins Kellerkino unterm Bürgerhaus. Sie zeigt „Die Kinder der Toten“, einen österreichischen Trash-Stummfilm mit ironischen Zwischentiteln, der als steirische Homemovie-Groteske mit Laien-Ensemble einem monströsen Heimat-Horror-Roman von Elfriede Jelinek aus dem Jahr 1995 nachspürt.
Nach einem Busunfall erstehen die Toten zwischen Rindviechern auf einer Wiese als Zombies wieder auf. Dazu spielt unablässig die Blasmusik. Eine ungeliebte Tochter wird nach ihrem Tod von der eigenen Doppelgängerin verfolgt. Im Gasthaus „Alpenrose“ klatschen sich die Gäste Pfannkuchen ins Gesicht, semmeln sich Forellen um die Ohren und pfählen sich mit Grillspießen. Syrische Lyriker suchen Obdach, weil sie die Steiermark (englisch: Styria) mit „Syria“ verwechseln. Bei den Österreichern aber, die sich mit ihren untoten Sporthelden, Barockkünstlern und Altnazis prima verstehen, verhungern die Asylanten und eröffnen später als Zombies eine Halal-Küche in der „Alpenrose“.
Schrill, schräg, schrundig ist dieser Mysterienkarneval in Super 8, der auf einem Theaterspektakel für das Festival Sterischer Herbst 2017 basiert. So haben Kelly Copper und ihr Partner Pavol Liska es mit ihrem in der Off-Szene bekannten „Nature Theatre of Oklahoma“ im Jahr 2015 auch schon im Rhein-Neckar-Raum gemacht, als sie eine Kino-Radtour auf den Spuren der Nibelungensage unternahmen. Damals drehten sie mit Laien an der Bergstraße und im Odenwald ebenfalls einen Stummfilm.
In der Steiermark stemmten die Theatermacher nun die Verfilmung eines Buches, das sie gar nicht gelesen haben. Copper und Liska haben sich Jelineks Roman erzählen lassen und inszenierten nach dem Hörensagen. Auch das passt wunderbar nach Weiterstadt, wo Hobbywood immer schon näher war als Hollywood.