Reihe „Vorlesegemeinschaft Gutes vom Vortag“ in der Mainzer Kunsthalle setzt buchstäblich auf bedrucktes Papier, Umblättern und die Kunst des Zuhörens.
Schmökern so wie immer: als ganz konkreter, haptischer Vorgang.
(Foto: hbz/Judith Wallerius)
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MAINZ - (maho). „Und er tauchte seine Feder in das Tintenfass, und bevor er einen Buchstaben in dieses merkwürdige Buch setzen konnte, saugte es einen Tintentropfen auf, ohne Spuren zu hinterlassen.“ Dieses Zitat aus der „Kammer des Schreckens“, einem der Bücher der Harry-Potter-Reihe, wurde in der Mainzer Kunsthalle vorgelesen – im Rahmen der Ausstellung „Virtual Insanity“, die aus der Sicht unterschiedlicher Künstler zeigt, was die virtuelle Welt so alles mit uns anstellt.
Kunsthallen-Chefin Stefanie Böttcher hat die „Vorlesegemeinschaft Gutes vom Vortag“ eingeladen, um anhand von Zitaten aus Hochliteratur versus literarischer Flachware einen Gegenpol zu der Dominanz der „Virtual Reality“ zu schaffen. Jeder der Anwesenden war bemüht, die Zitate Autoren, Texten oder gar ganzen Büchern zuzuordnen. Und man spürte den Prozess in jedem Besucher, den Bücher noch heute in uns auslösen, unsere Fantasie mit dem alten Wissen, das in uns im Verborgenen schlummert, zu aktivieren, ohne dass wir auf Google und andere Suchmaschinen zurückgreifen können, die in unserem Alltag so omnipräsent sind. Und langsam wird jedem klar, dass es doch die Bücher sind, die in uns virtuelle Welten auslösen, die uns dazu animieren, eigene Bildwelten zu kreieren.Und das alles ohne elektronische Unterstützung.
Die Lesenden, die sich vor fünf Jahren nach dem Vorlesetag 2013 zu der Vorlesegemeinschaft zusammengetan haben, ziehen von Veranstaltung zu Veranstaltung, um mit ihren Lese-Performances den Menschen ihre Fantasie zurückzugeben.
Und so wandern zahlreiche Bücherfreunde mit Dominik Schuh, Kerstin Rüther, Katrin Grosse, Leonie Höckbert, Matilda Kiefer, Lotte Lehmann, Ludmila Samochwalow und Ina Weckop, begleitet von unterschiedlichen Klangperformances von Natalja Grotenhuis, durch die Ausstellung bis hinauf in den Turm und identifizieren ein Zitat aus „Emma“ von Jane Austin, natürlich Harry Potter, und wer sind die anderen noch gleich? Der Blick auf die Ausstellung „Virtual Insanity“ schwindet. Die Exponate werden zur bildhaften Staffage, zur Bühne für die Literatur, die dank Johannes Gutenberg jedem zugänglich wurde und vielen über dunkle Zeiten hinweghalf und helle Zeiten noch heller leuchten ließ. Der Abend gab das zurück, was wir durch die schöne bunte Glitzerwelt der virtuellen, bewegten Welt verdrängt hatten: unsere Fantasie.
Veranstaltungshinweise im Internet unter www.kunsthalle-mainz.de.