Im Künstlerkeller des Darmstädter Schlosses sind ab heute unter dem Motto „Ikarus‘ Traum“ Gemälde der Malerin Ulrike Rothamel zu sehen.
Von Annette Krämer-Alig
Kulturredakteurin Darmstadt
Die Darmstädter Malerin Ulrike Rothamel zeigt ihre Bilder ab heute im Künstlerkeller im Darmstädter Schloss.
(Foto: Andreas Kelm)
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DARMSTADT - Im antiken Mythos verbindet sich Tragisches mit der Figur des Ikarus. Der junge Mann stirbt, weil er bei der Flucht von der Insel Kreta eine Gefahrenwarnung seines Vaters Dädalus in den Wind schlägt. Ikarus soll mit dem vom Vater selbst gebauten Flügelpaar weder zu hoch noch zu tief fliegen, aber beim Sohn siegt der Übermut. Eine Mahnung also, menschliches Maß zu erkennen? Die Malerin Ulrike Rothamel gibt ihrem vierteiligen Gemäldezyklus „Ikarus‘ Traum“ ein anderes Ziel. „Dieser ,Traum‘ zu fliegen, ist für mich ein Sinnbild des Sehnens und Wünschens“, sagt sie.
Und tatsächlich: In den Kompositionen der kleinen Bildquadrate, die ab heute in einer Ausstellung Ulrike Rothamels im Künstlerkeller des Darmstädter Schlosses zu sehen sind, trifft man auf bekannte Sehnsuchts-Motive. Zu den „Versatzteilen“ gehören hier eine mit der amerikanischen Freiheitsfackel bestückte Figur der revolutionär stürmenden französischen Nationalfigur Marianne nach Eugène Delacroix; da steht der babylonische Turmbau von Hieronymus Bosch und dort eine aufsteigende Apollo-Rakete, die an die TV-Bilder des Starts Richtung Mond erinnert.
Diese mit Akribie gezeichneten „Realitäten“ verknüpft die Malerin jedoch jeweils so dicht mit anderen Geschichtserinnerungen, dass sich die zeitlichen Zuordnungen oder logischen Bahnen fast aufzulösen scheinen. Die Gedanken des Betrachters lernen zu „fliegen“: frei, aber notgedrungen ohne Ziel. Dabei lässt die Malerin bei diesem Zyklus offen, wohin das fürs Individuum führen mag. 2012, im frühesten Gemälde der Schau „Oh Ikarus“, war das eindeutiger: Die Frau, die da die Mahnungen nicht gehört hat, die sich als Schriftbänder übers Bild ziehen, liegt schmerzgekrümmt am Boden.
Ulrike Rothamel wurde 1968 in Darmstadt geboren, wo sie auch heute lebt. Studiert hat sie an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung – mit dem Schwerpunkt Bühnenbild. Und gelungene, technisch perfekte Inszenierungen sind jetzt auch ihre Gemälde: Die Mischtechnik aus acrylfarbigen, „flockigen“ Flächen und zarten, mit Farbstiften sowie digital gefertigte Zeichnungen bringt Spannung ins Spiel.
Wo Figuren die Situation beherrschen wie bei den Großformaten „Always on the run“ und „Really want to see you“ aus diesem Jahr, werden die Szenerien dabei zu Symbolbildern verdichtet. Drei Kinder laufen auf der einen Leinwand mit hoffnungsfrohen Mienen auf ein unbekanntes Ziel zu, dass ihre Zukunft sein könnte. Diese muss freilich nicht nett sein, wie die Gruppe männlicher Jugendlicher auf dem Gemälde daneben zeigt. Sie stehen und sitzen auf einer Fläche vor einer anonymen Großstadt und blicken gelangweilt bis ernüchtert zur Seite: Dort ereignet sich etwas, von dem der Betrachter nichts weiß. Doch zum Lachen bringt das die Teenager nicht.