Von Ulrike SchäferWORMS - Mit Aschermittwoch hat die Fastenzeit begonnen, eine Zeit der Besinnung und inneren Einkehr. In der Dominikanerkirche St. Paulus wird, einer alten Tradition folgend, zum dritten Mal das eindrucksvolle Fastentuch von Klaus Krier aufgehängt, das bis zum Samstag vor Ostern den Altar verhüllen wird. In einem leuchtend blauen Quadrat auf transparentem Untergrund sind die Umrisse eines Kreuzes mit den Worten „Ecce Homo“ („Siehe, der Mensch!“) zu erkennen. „Wir erinnern in diesen Wochen an den geschundenen Erlöser, der nicht nur das Kind in der Krippe war, sondern durch alle Tiefen des Menschseins gegangen ist und bis in den Tod hinein unsere menschliche Natur geteilt hat“, sagt Prior Ralf Sagner.
Der Blick auf Jesus, der Mensch wurde, lenkt den Blick auf das Menschsein schlechthin. Im vergangenen Jahr wurde das Thema durch drei Fotografien des Wormser Fotokünstlers Stefan Blume aufgegriffen. In diesem Jahr hat sich der Konvent für vier Bilder und eine Installation von Künstlern des „atelierblau“ der Lebenshilfe entschieden, die in wöchentlichem Rhythmus nacheinander gezeigt werden.
Schon als er erstmals mit dem „atelierblau“ in Kontakt gekommen sei, sei er fasziniert gewesen von den Ausdrucksmöglichkeiten dieser Künstler, erzählt der Prior. Ihre Arbeiten zeigten eindrucksvoll, dass Menschen unabhängig von ihrer psychischen und geistigen Verfasstheit einen eigenen Weg zur Kunst und einen besonderen Zugang zur Erfassung des Menschlichen haben.
Das erste Bild, das seit Aschermittwoch an der Nordwand hängt, dort, wo sonst Klaus Kriers aussagekräftiges Ecce-Homo-Triptychon zu sehen ist, ist ein gutes Beispiel dafür. Es handelt sich um die „Kopf Studie“ von Danny Scholz. Dargestellt ist ein Gesicht auf hellem Grund, das sich dem Betrachter als intensives Gegenüber erweist, beobachtend, fragend, ja, auffordernd. Bei näherem Hinsehen entdeckt man, dass der Hintergrund des Bildes aus vielen unterschiedlichen Gesichtern besteht, und sofort stellen sich Assoziationen ein: Will der Künstler die Vielfalt der Menschen zeigen? Will er zeigen, dass sich in dem einen Gesicht alle anderen Gesichter spiegeln? Oder will er zeigen, dass jeder nur in der Gemeinschaft mit anderen existieren kann? Eine Interpretation, die in der Beschreibung des Werks zu finden ist, betont, dass Danny Scholz sich auf das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft konzentriere: „Es tritt aus der Masse Mensch, die sich im Hintergrund befindet, heraus und zeigt im wahrsten Sinne des Wortes Gesicht.“
In den folgenden Wochen wird dann ein Werk von Dietmar Grafe zu sehen sein, der das erschütternde Foto des aus einer Napalm-Wolke fliehenden Mädchens im Vietnamkrieg aufgegriffen hat, weiterhin eine „Maria Magdalena“ von Michaela Schmidts, die Regenbogenmadonna von Daniel Schoa und abschließend Daniel Schoas Installation „Biblischer Weg“.
Die Bilder, die alle auch von der Bezogenheit des Menschen auf Gott sprechen, werden auch Thema der fünf Fastenpredigten sein. Diese finden jeweils mittwochs um 20 Uhr statt, unter anderem wird auch Propst am Dom Tobias Schäfer predigen.
Noch mehr Nachrichten aus der Region lesen? Testen Sie kostenlos 9 Tage das Komplettpaket Print & Web plus!
Bitte loggen Sie sich ein, um einen Kommentar zu diesem Artikel zu verfassen. Debatten auf unseren Zeitungsportalen werden bewusst geführt. Kommentare, die Sie zur Veröffentlichung einstellen, werden daher unter ihrem Klarnamen (Vor- und Nachname) veröffentlicht. Bitte prüfen Sie daher, ob die von Ihnen bei ihrer Registrierung angegebenen Personalien zutreffend sind.
Die Zeichenzahl ist auf 1700 begrenzt. Die Redaktion behält sich vor, den Kommentar zu sichten und zu entscheiden, ob er freigeschaltet wird. Kommentare mit rechts- oder sittenwidrigen Inhalten, insbesondere Beleidigungen, nicht nachprüfbare Behauptungen, erkennbare Unwahrheiten und rassistische Andeutungen führen dazu, dass der Kommentar im Falle der Sichtung nicht freigeschaltet, ansonsten sofort gelöscht wird. Wir weisen darauf hin, dass alle Kommentare nach einigen Wochen automatisch wieder gelöscht werden.
Die Kommentare sind Meinungen der Verfasser.